Hattingen. Das Hochwasser hat in Hattingen und dem EN-Kreis Spuren hinterlassen. Der oberste Katastrophenschützer sagt, was dringend besser werden muss.

Die gröbsten Schlamm- und Müllberge sind weg. Der Schrecken, den das Jahrhundert-Unwetter und die verheerenden Schäden ausgelöst haben, stecken den Menschen noch tief in den Knochen. Interview mit Rolf-Erich Rehm, der als oberster Bevölkerungsschützer des Ennepe-Ruhr-Kreises die Rettungseinsätze im Kreishaus koordinierte.

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Rolf-Erich Rehm ist Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz beim EN-Kreis.
Rolf-Erich Rehm ist Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz beim EN-Kreis. © UvK

Sie sind für den Katastrophenschutz im EN-Kreis zuständig. Was ging in Ihnen vor, als sich die Lage dramatisch verschärfte?

Rolf-Erich Rehm: Ich hatte nach Dienstschluss noch bei der Leitstelle im Kreishaus angerufen, wie es bei uns aussieht. Da gab es noch keine außergewöhnlichen Unwetter-Einsätze. Die Wucht, mit der sich das dann am späten Abend und in der Nacht entfaltete, hat mich doch sehr überrascht. Ich bin dann sofort ins Büro zurück, und es war das erste Mal seit 15 Jahren, dass ich dort über Nacht geblieben bin.

Wann war Ihnen persönlich klar, dass wir es mit einem Jahrhundert-Ereignis zu tun haben?

Ich muss gestehen, das war mir zuerst gar nicht klar. Ein Stromausfall wie in Gevelsberg ist zwar immer eine Herausforderung, aber das passiert schon mal. Als die Meldung einging, dass das Trinkwasser in Witten gefährdet sei, war das schon etwas anderes. Als schließlich die Informationen und ersten Bilder aus Bad Münstereifel und Rheinland-Pfalz kamen, war mir klar, dass das ein Jahrhundert-Ereignis ist. Wobei man immer sagen muss, dass es für den Ennepe-Ruhr-Kreis hätte schlimmer kommen können, wenn man sich Hagen anschaut.

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Es werden zunehmend Stimmen laut, dass im Vorfeld nicht ausreichend gewarnt wurde. Sehen Sie das auch so?

Das kann ich so nicht gelten lassen. Es gab im Vorfeld genügend Wetterwarnungen, auch Zeitungen, Rundfunk und Fernsehsender hatten immer wieder darauf hingewiesen. Wir hatten am Mittwoch um 20.12 Uhr die Bevölkerung auch über die Warn-App Nina gewarnt. Ich höre von Leuten immer wieder, dass sie die Warn-App doch nicht auf ihrem Handy haben. Da kann ich nur sagen: Leute, ladet Euch die App aufs Handy. Wenn jeder die Warn-App drauf gehabt hätte, hätten wir damit locker 70 Prozent der Bevölkerung erreicht

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Was könnte bei der Alarmierung besser werden?

Der Katastrophenschutz macht sich seit zehn Jahren für die Einführung automatischer Warnungen per Kurznachricht aufs Handy stark. Innenminister Horst Seehofer will das so genannte Cell Broadcasting jetzt angeblich auch. Hoffentlich ist das nicht nur Wahlkampfgerede und wird schnell umgesetzt. Auch bei den Sirenen können wir nachbessern. Der Vorteil: Bei Hochwasser oder anderen Gefahrenlagen können wir gezielter warnen. Generell bin ich für einen Mix aus digitaler und analoger Warntechnik. Wir sollten beispielsweise Lautsprecher-Wagen dort einsetzen, wo es nötig und sinnvoll ist.

Was ist Ihrer Meinung nach gut gelaufen, was ist schlecht gelaufen?

Gut gelaufen ist definitiv die Zusammenarbeit mit allen Einsatzkräften. Feuerwehr und THW sind im Ennepe-Ruhr-Kreis ein eingespieltes Team. Das war perfekt. Schlecht gelaufen ist aus meiner Sicht, dass ich nach 24 Stunden immer noch keinen hundertprozentigen Überblick hatte. Die Schlagzahl der Einsätze war einfach zu hoch, und wir arbeiten beim Katastrophenschutz mit zuwenig Personal.

Was muss sich ändern, damit die Menschen und der Katastrophenschutz auf ein solches Ausnahme-Ereignis besser vorbereitet sind?

900 Einsatzkräfte im Kampf gegen die Katastrophe

Rund 900 Einsatzkräfte haben im EN-Kreis gegen die Jahrhundertflut gekämpft. Feuerwehren, THW, DRK und viele andere Helfer packten mit an. Zu den besonders betroffenen Städten gehörten im nördlichen Kreis die Ruhrtal-Städte Hattingen und Witten.

Als Kreisbrandmeister (einer ehrenamtlichen Funktion) und hauptamtlicher Leiter der Abteilung für Bevölkerungsschutz ist Rolf-Erich Rehm für die 2500 Feuerwehrkräfte im Ennepe-Ruhr-Kreis zuständig. Davon sind rund 1500 Aktive.

Wir müssen die Menschen viel mehr sensibilisieren, sie mehr aufklären, damit sie wissen, was im Notfall zu tun ist. Der Sirenen-Warntag ist ein Beispiel dafür. Das allein reicht aber nicht aus. Außerdem muss unbedingt mehr in die Vorhaltung investiert werden, in Übungsalarme oder auch ins Personal für den Katastrophenschutz. Ich denke da zum Beispiel an Twitter und Facebook als Möglichkeit, die Menschen zu warnen und zu informieren. Dafür haben wir momentan kein Personal.

Aus Reihen der Rettungskräfte wurde Kritik an einer mangelhaften Ausrüstung laut. Können Sie das nachvollziehen?

Das kann ich nur in Teilen nachvollziehen. Von den Gerätschaften her sind wir generell gut aufgestellt. Was tatsächlich ein Problem ist, ist die Logistik. Wir sind gerade dabei, einen Logistik-Zug aufzubauen. Das sind mehrere Großfahrzeuge, um Gerätschaften und persönliche Dinge zu transportieren. Die Fahrzeuge kommen vom Land.

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