Hattingen. Kindertagespflege in der Corona-Pandemie? Darum sieht eine Tagesmutter aus Hattingen sich und ihren Berufsstand von der Politik alleingelassen.
Ihren Job als Tagesmutter übt Frederike Müller leidenschaftlich gern aus – normalerweise. Jetzt, in Zeiten der Corona-Pandemie, aber fühlt die Hattingerin sich und ihren Berufsstand von der Politik alleingelassen. „Ich sorge mich“, sagt die 56-Jährige, „um meine Gesundheit.“
Fünf Kinder im Alter zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren betreut die der Redaktion bekannte Tagesmutter, die aus Sorge vor Repressalien ihren wahren Namen nicht öffentlich machen möchte, in ihrem Haus in Hattingen. Zwar hat die NRW-Landesregierung dazu aufgerufen, Kinder im Kita-Alter soweit wie möglich zu Hause zu betreuen, doch die Eltern der Tagespflege-Kinder von Frederike Müller sind auf deren Betreuung allesamt angewiesen.
„Die Eltern haben alle einen Wahnsinnsdruck“
„Die haben alle einen Wahnsinnsdruck“, sagt die 56-Jährige. Teils verwehrten Arbeitgeber ihnen das Homeoffice, teils versuchten sie, ihnen eine Inanspruchnahme des Corona-Kinderkrankengeldes madig zu machen. Statt bloßer Appelle wäre es hier „auch für die Eltern leichter, wenn die Politik klare Ansagen gegenüber den Arbeitgebern machen würde“, ärgert sich Frederike Müller.
Immerhin habe sie selbst es inzwischen durch intensive Gespräche mit den Eltern geschafft, dass die ihre gebuchten und für die Kindertagespflege auch im eingeschränkten Pandemiebetrieb seitens der Politik nicht reduzierten Stundenkontingente nicht mehr voll ausschöpfen. „Wenn zeitgleich nur drei statt aller fünf Kinder hier sind, dann fühle ich mich zumindest etwas besser.“
Im Umgang mit den Kindern ohne Schutzmaske
Was der NRW-Familienminister sagt
In seinem Schreiben an die Kindertagespflegepersonen sagt NRW-Familienminister Joachim Stamp u. a., sein Appell an die Eltern, die Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen, gelte noch in dieser Woche.Zum 22. Februar seien dann alle Kinder wieder in Kitas und Kindertagespflege eingeladen. „Sollte es wider Erwarten zu einem sprunghaften Anstieg kommen, werden wir auch die Kindertagespflege regional oder landesweit komplett schließen“ – bei einer ganz eng begrenzten Notbetreuung.Eine falsche Interpretation von Krankenkassenzahlen, so Stamp weiter, habe zu der Ansicht geführt, das Infektionsrisiko sei bei Erziehern und Kindertagespflegepersonen besonders hoch. „Das stimmt nicht.“Bei den Zahlen der Krankenkassen seien nicht allein tatsächliche Covid-Fälle, sondern auch alle Krankmeldungen etwa wegen Husten, Schnupfen oder Fieber eingeflossen. „Gerade weil viele von Ihnen so umsichtig gehandelt haben, waren die Statistiken bei den Krankenkassen erhöht.“
Das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren, aber bleibe hoch. Obwohl Frederike Müller sich mehrmals täglich die Hände desinfiziert, drei Mal in der Woche Spielsachen und Räume komplett desinfiziert und privat ihre Kontakte auf ein Minimum heruntergefahren hat. Doch im Umgang mit den Kindern, sagt sie, könne sie keine Schutzmaske tragen, „die Mäuse sind doch in der Sprachbildung, da geht das nicht“. Zudem bräuchten gerade kleine Kinder die Nähe. Und schließlich wolle sie ihnen „so viel Normalität wie möglich bieten; das doofe Virus soll für sie nicht permanent hier in diesen Räumen präsent sein“.
Dass NRW-Familienminister Joachim Stamp allen Tagesmüttern und -vätern am Dienstag geschrieben hat, sie könnten „sich ab sofort zweimal die Woche testen lassen“, hält Frederike Müller bestenfalls für eine nette Geste, „gesundheitlich haben wir davon nichts“. In der Kindertagespflege, wo man Abstände zum Schutz vor dem Virus nicht einhalten könne, erkrankten ihrer Kenntnis nach sehr viele Arbeitnehmer, betont Frederike Müller, „auch ich kenne einige Kolleginnen“.
Zwischenzeitlich überlegt, mit der Kindertagespflege auszusetzen
Angesichts des gesundheitlichen Risikos habe sie denn zwischenzeitlich sogar einmal überlegt, mit der Kindertagespflege bis zum Ende der Corona-Pandemie auszusetzen. „Aber das will ich den Eltern, die auf diese Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind, einfach nicht antun.“ Umso vehementer fordert sie, dass ihr Berufsstand schnellstmöglich geimpft wird. „Nur wenn wir alle gesund bleiben, können wir dieser Gesellschaft helfen, in den Normalbetrieb zurückzukehren.“
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