Hattingen. Seit Wochen ist digitaler Unterricht am Gymnasium Waldstraße Alltag. Die WAZ war bei einer Doppelstunde im Internet zu Gast. Eine Reportage.
Mittwochmorgen, 7.35 Uhr. Für die Klasse 5a am Gymnasium Waldstraße steht eine Doppelstunde Deutsch auf dem Stundenplan. Digital, versteht sich. Im virtuellen Klassenraum, der über das Microsoft-Programm „Teams“ eingerichtet ist, treffen sich die Schüler mit Lehrerin Anja Sauer und Referendarin Marie Kinast. Auf dem Bildschirm: Eine bunte Rechteck-Collage aus Videofenstern, die die Schüler in ihren Kinder- oder Wohnzimmern zeigt. Manche haben auch eine fantastische, virtuelle Kulisse als Hintergrund gewählt.
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Zuerst ein kleiner Technik-Check: „Ist mein Ton ok“, will die Deutschlehrerin wissen. Bei einer Schülerin haken Bild und Ton. „Versuch mal rauszugehen und wieder rein“, rät Anja Sauer. Es klingt routiniert.
Digitalunterricht noch mindestens zwei Wochen länger
Schon seit Wochen ist Homeschooling der neue Alltag von Lehrern und Schülern am Gymnasium Waldstraße. Und wird es nun noch länger bleiben. „Ich habe gestern die Nachrichten gesehen“, beginnt Anja Sauer den Schülern zu erklären, dass der Präsenzunterricht nun noch mindestens zwei Wochen länger ausfallen wird. Wie es den Kindern damit geht, möchte sie wissen, wie der digitale Unterricht bei ihnen klappt und auch, wie sie in dieser schwierigen Situation ihre Freizeit gestalten.
Mit Geschwistern spielen, mit den Eltern spazieren gehen oder auch virtuelles Training der Fußballmannschaft – davon berichten einige der Zehn- bis Elfjährigen. Und in Sachen Digitalunterricht klingt der Grundtenor überraschend optimistisch: „Präsenzunterricht fände ich natürlich besser, aber so geht’s auch“, fasst eine Schülerin zusammen, was so ähnlich viele der Kinder sagen.
Anja Sauer will wissen, wie es ihren Schülern geht. Nicht nur, weil an diesem Morgen die Presse dabei ist, sondern immer. „Wenn die Kinder merken, dass man sich für sie interessiert, ist das ein wichtiges Signal“, ist die Pädagogin überzeugt.
Hausaufgaben werden hochgeladen und besprochen
Dann steht die Besprechung der Hausaufgabe an: Die Schüler sollten einen Steckbrief zu einem Tier aus der jüngst gelesenen Lektüre „Woodwalkers“ erstellen – und fast alle wollen ihre Arbeit vorstellen. Manche tragen ihre Ausarbeitungen mündlich vor, andere laden sie zusätzlich in den Chat, von hier aus kann Lehrerin Anja Sauer sie in ein großes Bildschirmfenster ziehen, so dass alle sie sehen können.
Obwohl mehr als 20 Kinder beteiligt sind, funktioniert der Unterricht ohne Störungen. Alle heben virtuell die Hand und warten, bis sie drangenommen werden, so lange bleiben die Mikrofone stumm geschaltet.
Gemeinsame Suche nach Rechtschreibfehlern
Manche Kinder haben ihren Steckbrief handschriftlich angefertigt und dann abfotografiert, andere haben ihn gleich auf dem Computer erstellt. Erlaubt ist beides. Gegenseitig geben die Kinder sich Feedback, ergänzen ihre Arbeiten. „Und weil wir ja im Deutschunterricht sind“, sagt Anja Sauer, „suchen wir auch mal gemeinsam nach Fehlern.“
So fällt auf, dass die Steckbriefe zu Wolf, Seeadler oder Wapiti sehr ausführlich und optisch gut aufbereitet sind, sich aber ein paar kleine Rechtschreibfehler eingeschlichen haben. Hier ein groß geschriebenes Adjektiv, da ein groß geschriebenes Wort nach Doppelpunkt, dort ein fehlender Buchstabe.
Digitalunterricht ist mehr Arbeit für die Lehrer
„Eigentlich finde ich, dass der Unterricht gar nicht so anders ist“, fasst Deutschlehrerin Anja Sauer nach der Doppelstunde im Gespräch mit der WAZ zusammen. Zwar fehlen einige Elemente aus dem Präsenzunterricht, wie der spontane Austausch mit dem Sitznachbarn oder auch Rollenspiele, die sie sonst gerne einsetzt. Andererseits eröffne der digitalisierte Unterricht auch neue Möglichkeiten.
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Alles in allem bedeutet er für die Lehrkräfte eher mehr Arbeit als der Präsenzunterricht. Daher ärgert sie sich über die Menschen, die behaupten, dass Lehrer gerade nichts zu tun hätten. „Ich glaube, dass viele Kollegen sich ein Bein ausreißen, damit es den Kindern gut geht“, ist Anja Sauer überzeugt.
>>> Auch der Info-Abend für die Eltern der Fünftklässler lief digital
Nicht nur der Unterricht läuft am Gymnasium Waldstraße mittlerweile wie selbstverständlich digital ab. Auch den Info-Abend für die Eltern der zukünftigen Fünftklässler hat die Schule jüngst digital veranstaltet:
Pünktlich um 19 Uhr begrüßt ein weißer Bildschirm die Zuschauer am Dienstagabend zum ersten digitalen Info-Abend. Darunter in kleineren Fenstern die Akteure des Abends: Erprobungsstufenkoordinatorin Anja Sauer, Schulleiterin Annette Christiani und einige Lehrer, die im kommenden Schuljahr die Leitung der fünften Klassen übernehmen werden.
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Mehr als 100 Teilnehmer verzeichnet die Videokonferenz, die über das Microsoft-Programm „Teams“ läuft, an diesem Abend. Eltern, die ihre Kinder – Noch-Viertklässler – im kommenden Schuljahr am Gymnasium Waldstraße unterrichten lassen möchten. Oder es zumindest erwägen.
Die meisten von ihnen haben die Kameras ausgeschaltet, werden nur durch Kreise mit Initialen repräsentiert. Heißt: Sie sind da, sie hören zu – nur sehen können die Lehrer (und auch die anderen Teilnehmer) sie nicht.
Für Anja Sauer ein merkwürdiges Gefühl: „Ich spreche immer gern mit Menschen“, erzählt sie im Nachgang. „Da macht man auch schon mal eher einen Witz, ist lockerer.“
Ihr Vortrag über die Erprobungsstufe, den sie so oder ähnlich schon oft gehalten hat, fällt ihr an diesem Abend schwerer, weil sie in die Kamera sprechen muss, ohne ihr Publikum zu sehen.
Inhaltlich läuft der digitale Info-Abend allerdings genauso ab, wie er auch in der Schulaula laufen würde: Nach kurzen Grußworten der Schulleiterin stellen sich die zukünftigen Klassenlehrer in wenigen Worten vor. Routiniert spielen sie sich die Bälle zu, als würden sie jeden Tag solche digitalen Präsentationen machen. Und in gewisser Weise tun sie das auch. Denn für den Info-Abend nutzt die Schule exakt die gleiche Technik, wie sonst für den Unterricht.
Es folgen eine Vorstellung der Schule und der Laufbahnmöglichkeiten am Gymnasium, die Fächerauswahl und die Punkte, die besonders in der Erprobungsstufe wichtig sind – Vertretung ausfallender Stunden, Über-Mittag-Betreuung und auch der Übergang von Grund- auf weiterführende Schule.
Insgesamt gut eine Stunde geballte Informationen, Fragen haben die Eltern trotzdem nur wenige. „Das ist jedes Mal total unterschiedlich“, weiß die Erprobungsstufenkoordinatorin. „Manchmal stellt einer eine Frage und dann entwickelt sich eine Eigendynamik“, beschreibt sie. Und manchmal eben nicht. Auch dass die Eltern in der digitalen Runde etwas schüchterner waren, als persönlich vor Ort, kann sie sich vorstellen.