Hattingen. „Da war halt nicht mehr viel mit Freude verbreiten“: Anja Schulte alias Holti, Hattingens Karnevals-Maskottchen, blickt aufs Corona-Jahr zurück.
Wann Anja Schulte zuletzt als Hattingens Karnevals-Maskottchen „Holti“ unterwegs war, kann sie ganz genau sagen: „Am 6. November!“ Denn eigentlich wäre an diesem Tag das neue Prinzenpaar proklamiert worden. Eigentlich. Denn wegen der Corona-Pandemie fallen sämtliche Veranstaltungen der Session 20/21 aus.
„Da war halt nicht mehr viel mit Freude verbreiten"
So nutzte Anja Schulte „die Gunst der Stunde“ um wenigstens ein paar Bilder im neuen Ornat zu machen und sich damit bei Sponsoren zu bedanken. Doch seiner eigentlichen Aufgabe konnte der „Holti“ wegen Corona in diesem Jahr nicht nachkommen: „Da war halt nicht mehr viel mit Freude verbreiten", stellt Anja Schulte im Rückblick trocken fest.
+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Hattingen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++
Zu Anfang des Jahres war die Hattinger Karnevalswelt noch in Ordnung gewesen. Der Rosenmontagszug konnte Ende Februar wie gewohnt durch die Straßen ziehen, wenngleich wegen miserablen Wetters mit weniger Besuchern als sonst. Das war am 24. Februar, die ersten Corona-Fälle waren da bereits in Deutschland aufgetaucht, verbreitet auf einer Karnevalssitzung im Kreis Heinsberg.
Aus für die Session 20/21 - damals nicht absehbar
„Ich will das gar nicht so mit Karneval in Verbindung bringen“, schränkt Anja Schulte ein. „Da waren irgendwelche Menschen in Österreich Skifahren und sind danach auf eine Karnevalssitzung gegangen.“ Eine unglückliche, zeitliche Überschneidung.
Dass diese nun das Aus für die kommende Session bedeuten würde – damals noch nicht absehbar. „Dass es so massiv ausarten würde, da hat ja keiner mit gerechnet“, erinnert sich Schulte an die Zeit vor gut zehn Monaten. „Es war halt alles noch weit weg!“
Wochen voller Stress und emotionaler Erlebnisse
Doch nur wenige Tage später, war es gar nicht mehr weit weg – zumindest nicht für Anja Schulte, die nicht nur der „Holti“ ist, sondern auch als Krankenschwester im Evangelischen Krankenhaus (EvK) arbeitet – auf der Corona-Station. Sie erinnert sich noch genau daran, als eines Tages die Nachricht kam: „Es ist soweit. Der erste Corona-Positive ist da.“ Obwohl alle im Krankenhaus darauf vorbereitet waren, habe sie in diesem Moment eine Gänsehaut gehabt, beschreibt Anja Schulte. „Da musste ich erst mal tief durchatmen.“
Was dann begann waren Wochen voller Stress und auch emotionaler Erlebnisse. So erinnert sie sich noch gut an einen Corona-Patienten, der kurz vor der Entlassung stand, dessen Zustand sich dann aber ganz kurzfristig so dramatisch verschlechterte, dass er es nicht mehr schaffte und verstarb. „Das war schon heftig“, sagt Anja Schulte, erinnert sich mit Kollegen „heulend auf dem Flur gestanden“ zu haben.
„An Corona oder mit – das ist im Prinzip wurscht"
Um so unverständlicher sind für sie die Corona-Leugner, die sich gegen Schutzmaßnahmen stellen und die Todesfälle in Zweifel ziehen. „An Corona oder mit – das ist im Prinzip wurscht. Hätten Sie es nicht gehabt, würden sie jetzt noch leben.“
Und auch die Sorglosigkeit, die sich über den Sommer eingeschlichen hatte und bis in den Herbst reichte, sieht sie als Krankenschwester kritisch. Auch von der Regierung hätte sie sich ein früheres und entschlosseneres Handeln gewünscht.
Erleichterung über Sessions-Absage
Dass den Corona-Schutzmaßnahmen letztlich auch die Karnevals-Session zum Opfer gefallen ist, begrüßt Anja Schulte alias „Holti“ sogar, denn der Stress im Job hält bis heute an: „Ich war tatsächlich froh, als die Nachricht kam, dass die Session nicht stattfindet“, erläutert sie. „Für mich als Krankenschwester hätte das nicht funktioniert.“
In Nicht-Pandemie-Jahren war es nie ein Problem für „Holti“, Job und Karneval unter einen Hut zu bringen. Da ging es direkt nach dem Spätdienst noch zur Veranstaltung oder nach dem Frühdienst rein ins Ornat. Im Corona-Jahr ist das nicht denkbar: „Wir kommen im Moment alle immer so K.O. vom Dienst.“
„Auch Holti würde sich freuen, wenn er mal wieder einen Freund treffen darf“
Und so ist gar nicht überraschend, was Anja Schulte sich für das kommende Jahr 2021 wünscht: „Dass wir einfach mal wieder ein bisschen entspannen können, irgendwo sitzen und klönen.“ Sie brauche da nicht einmal Großveranstaltungen, betont die Karnevalistin und Krankenschwester, ein kleiner Kreis reiche ihr schon. „Und auch Holti würde sich freuen, wenn er mal wieder einen Freund treffen darf.“
>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel