Mit dem nostalgischen Adventskalender hat auch Frau Holle dieses Jahr Zwangspause. So verbringt sie die Zeit stattdessen.

Hellgrauer Rüschenrock, weiße Schürze und Haube – ihre Arbeitskleidung wird Frau Holle in diesem Jahr nicht brauchen. Frisch gereinigt und gestärkt hängt sie im Schrank, sicher in Plastik verstaut. Denn die Absage des historischen Weihnachtsmarkts in Hattingen aufgrund der Corona-Pandemie hat zur Folge, dass Frau Holle in diesem Jahr arbeitslos ist.

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„Dass Frau Holle nicht stattfinden kann, ist wirklich ein Einschnitt“, bestätigt die Frau, die als Jahrhunderte alte Märchenfigur seit 22 Jahren in Hattingen Dienst tut und unter ihrer bürgerlichen Identität Ursula Keuth in der Hattinger Altstadt lebt. „Vom 1. bis zum 24. Dezember war alles absolut getaktet“, blickt sie auf die vergangenen Jahre zurück. An jedem dieser Dezembertage hatte sie sich gegen 16 Uhr auf den Weg zum Alten Rathaus gemacht und war gegen 18 Uhr wieder heimgekehrt. Diese Struktur wird es in diesem Jahr nicht geben.

Intensivere Erfahrung mit der Familie

Doch davon lässt Ursula Keuth sich die Vorweihnachtszeit nicht verderben. „Wir sind dankbar, dass es uns letztendlich gut geht“, betont sie. „Das, was ich als Frau Holle versuche, mit den Geschichten zu vermitteln, das kann ich jetzt noch intensiver mit der eigenen Familie erleben.“ Es ist das Gefühl von Weihnachten, von Miteinander, von Winter und der Besinnung auf das Schöne. Und auch ein Tradieren von Erfahrungen, die manche Kinder heute gar nicht mehr machen können: „Das, was die uralte Holle erlebt hat, ist ein Schatz.“

In ihrer Wohnung in der Hattinger Altstadt weihnachtet es schon sehr. An jeder freien Stelle hat sich festliche Dekoration eingeschlichen, viel Tanne und weihnachtliches Rot – von den Vorhängen bis zu den Sitzkissen am Esstisch. Adventskalender hängen an jeder Tür und auch die ersten Plätzchenfuhren sind schon fertig und verbreiten den traumhaften Duft von Weihnachtsbäckerei.

Mehr Raum für andere Ereignisse

„Als jetzt das Weihnachtsrot hervorkam, das war toll“, freut sich Ursula Keuth, die ein großer Freund des Festes ist. Beim Dekorieren hat sie in diesem Jahr erstmals Hilfe von Kindern und Enkeln bekommen. Ganz penibel hätten vor allem die großen Enkelsöhne darauf geachtet, dass alles an die richtige Stelle kommt. „Ich bin ganz begeistert, mit wie viel Elan und Feingefühl diese jungen Menschen das gemacht haben“, erzählt sie – und lächelt glücklich.

Obwohl durch Frau Holle nun etwas fehlt, wird es Ursula Keuth bis Weihnachten sicher nicht langweilig werden. Mehrere Geburtstage – unter anderem der ihres Sohnes am ersten Dezember – bekommen in diesem Jahr etwas mehr Raum. Und auch gebacken wird in der Keuthschen Küche gern vor Weihnachten: Zimtsterne und Elisen-Lebkuchen sind Pflicht und „zwei, drei Linzer Torten – die müssen sein“, erläutert Ursula Keuth. „Und wenn noch etwas Zeit ist, vielleicht auch ein bisschen mehr.“

Vorfreude auf nächstes Jahr

Derweil hofft sie auch bei den Familien, die sie als Frau Holle Jahr für Jahr am Alten Rathaus besuchen, um zu sehen, wie sie die Fenster öffnet, Geschichten erzählt und Schokoladentaler aus dem Kissen schüttelt, auf Einsehen: „Das alles findet diesmal nicht statt, bitte habt Verständnis.“ Zugleich sind die Familien es auch, die sie in diesem Jahr schmerzlich vermissen wird: „Das, was von den Kindern, aber auch von den Erwachsenen zurück kommt, die Freude der Menschen – das wird mir am meisten fehlen.“

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Ihr Weihnachtswunsch ist deshalb, „dass wir uns nächstes Jahr auf dem Untermarkt wiedersehen und Frau Holle dort ihr Kissen schütteln kann.“ Ein großes Comeback nach der Coronapause wird sie dann aber nicht feiern. „Die Parade an sich ist ja schon ein großes Ereignis. Ich glaube, größer kann man das gar nicht machen“, erläutert sie. „Wenn das im nächsten Jahr wieder in dieser Form stattfindet, sind alle wieder froh und glücklich. Da braucht man kein Feuerwerk oder Trommelkonzert.“

Frau Holle bleibt Live-Event

Sich selbst zu digitalisieren, wie es in der Corona-Krise viele Künstler bereits getan haben, das kam für Frau Holle alias Ursula Keuth nicht in Frage. Für den digitalen Adventskalender, der jüngst von einem Hattinger Unternehmer initiiert wurde und auch vom Verein für Stadtmarketing unterstützt wird, ist sie zwar gerne das Logo, aber nicht aktiv im Einsatz.

„Dass sich da auch Hattinger Bürger beteiligen, finde ich lobenswert“, betont sie. Selbst wolle sie aber lieber beim Live-Event bleiben. Und so freut sie sich auch schon auf das kommende Jahr, „vielleicht auch mit einem dankbaren Gefühl“.