Hattingen. Arbeitsagentur-Chefin Katja Heck ist auch für Hattingen verantwortlich. Sie erklärt, warum es in Stadt und EN-Kreis immer weniger Azubis gibt.


Die Abteilung sitzt geschlossen im Homeoffice – wer kümmert sich denn jetzt um die Azubine? Wer nimmt den Stift mit auf die Bau­stelle, wo doch alle Kollegen nach Möglichkeit alleine fahren sollen? Wie bringen wir den neuen Lehr­lingen CNC-Programmierung bei? Diese und andere Fragen beschäftigen Arbeitgeber derzeit von der Verwaltung über Industriebetriebe bis hin zum Handwerksunternehmen. Ausbildung, ohne Gefahr sich mit Corona zu infizieren, stellt alle vor gewaltige Herausforderungen. Einige werden kreativ, andere haben aufgrund ihrer kleinen Betriebsgrößen dazu gar keine Möglichkeit. Sollten sie auf Azubis verzichten? „Auf keinen Fall“, sagt
Katja Heck, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Hagen, die auch für Hattingen zuständig ist
.



Erstmals hat die Arbeitsagentur eine Statistik zum lokalen Ausbildungsmarkt erstellt. Und die zeigt deutlich: „Wir hatten schon vor Corona das große Problem, dass immer weniger Jugendliche für den Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen“, sagt Kata Heck.

Weniger Schulabgänger bringen auch weniger Auszubildende

In vielen Brereichen fehlen Auszubildende: Das Handwerk ist aktuell besonders betroffen.
In vielen Brereichen fehlen Auszubildende: Das Handwerk ist aktuell besonders betroffen. © dpa | Sebastian Kahnert



Die Zahlen untermauern das: Im Schuljahr 2013/2014 haben 3515 Jugendliche einen Abschluss auf den allgemeinbildenden Schulen des EN-Kreises absolviert, 43 Prozent von ihnen ein Abitur, mit dem die meisten auch tatsächlich ein Studium begonnen haben. Im laufenden Jahr kann der Markt nur noch auf 3110 Jungen und Mädchen zugreifen, von denen allerdings nun schon 46 Prozent ein Abi haben. Heck: „Immer weniger verlassen die Schulen und von denen wollen immer weniger eine Ausbildung machen.“

Positiv ist, dass dies dafür sorgt, dass sich die Schere der Bewerber, die auf den Markt drängen, und der zur Verfügung stehenden Ausbildungsstellen sich aber langsam schließt. Das sieht auf den ersten Blick gut aus, auf den zweiten zeigt sich aber, dass dadurch die Passgenauigkeit nicht zunimmt. „Das beginnt damit, dass kaufmännische Ausbildungen gefragter sind, als die beim Bäcker und geht so weit, dass sogar innerhalb einer Branche riesige Unterschiede herrschen. Bei den Arzthelferinnen wollen beispielsweise viele zum Kinderarzt, aber nur sehr wenige zum Urologen“, erläutert sie die Misere der fehlenden Passgenauigkeit zwischen Angebot und Nachfrage.

Nach der Corona-Krise fehlen vermutlich qualifizierte Leute


Dazu kommen nun die besonderen Umstände der Pandemie, die Katja Heck Sorgen bereiten. So liege die Berufswahlorientierung ziemlich brach. „In den Schulen kann dies nicht mehr so geleistet werden, wie vor Corona,
die große Ausbildungsmesse für den EN-Kreis
hat viele Bewerber und Arbeitgeber zusammengebracht. Sie musste ausfallen. Praktika finden kaum noch statt.“ Unternehmen, die aufgrund dieser Umstände nicht ausbilden, werden laut der Prognose der Expertin im EN-Kreis zu den Verlierern zählen. „Spätestens, wenn nach dieser Krise irgendwann die Arbeit wieder normal läuft, fehlen diesen Firmen die qualifizierten Leute“, sagt Katja Heck.

Vor allem im Ennepe-Ruhr-Kreis mit seiner Industrie und dem vielen produzierenden Gewerbe werde die Jugend ein knappes Gut sein, um das die Betriebe spätestens mit dem Renteneintritt der Baby-Boomer-Jahrgänge hart kämpfen werden. Daher rät sie dazu, die besonderen Möglichkeiten, die das Corona-Ausbildungsjahr bietet, auch zu nutzen. Konkret heißt das: Die Jungen und Mädchen können eine Ausbildung bis Ende Januar beginnen. „Die Berufsschulen sind da total geschmeidig, die Betriebe sollten das auch hinbekommen. Es gibt Finanzierungsmöglichkeiten, um die Jugendlichen in die Lage zu versetzen, das Versäumte nachzuholen und auf den Arbeitsmarkt zu gelangen“, sagt die Chefin der Agentur für Arbeit.

Appell der Agentur-Chefin an die kommenden Schulabsolventen

Auch an die Schulabsolventen auf der Suche nach einer Zukunftsperspektive richtet sie einen Appell: „Es gibt Jobs, es gibt Ausbildungen. Wer in einer systemrelevanten Branche seine Ausbildung macht, kann eine große Sicherheit erwarten. Es muss nicht immer das Studium sein für eine gute Karriere.“



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