Hattingen. Landrat Olaf Schade aus Hattingen spricht über die Corona-Lage im EN-Kreis – über die Belastung und einen möglichen Einsatz der Bundeswehr.

Corona treibt die Verwaltung des EN-Kreises an die Grenzen der Belastbarkeit. Die Infektionszahlen sind stark angestiegen, die Eindämmung ist längst nicht mehr nur eine Angelegenheit des Gesundheitsamtes. Im Interview spricht Landrat Olaf Schade über die aktuelle Lage.

Herr Schade, wo steht die Kreisverwaltung derzeit personell und wann ist der Punkt erreicht, an dem es brenzlig wird?

Olaf Schade: Es ist natürlich so, dass das Ausbruchsgeschehen sehr dynamisch ist. Die Zahl der Infizierten ist in den vergangenen Wochen gestiegen, die Zahl der Menschen in Quarantäne auch und leider auch die der Todesfälle. Da können Sie sich vorstellen, was das parallel für die Arbeit in der Kreisverwaltung bedeutet. Das ist ja inzwischen weit mehr als das Gesundheitsamt. Wir haben ein Pandemie-Team, das täglich mit den Dingen befasst ist. Die Arbeit ist am Rande der Leistungsfähigkeit, aber noch nicht darüber hinaus. Wir ziehen erheblich Kolleginnen und Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen für die Bearbeitung der Pandemie-Aufgaben hinzu. Wir sind aber an einem Punkt, an dem die Entwicklung so dynamisch ist, dass jetzt auch in der Gesellschaft etwas passieren muss, damit die Kurve flacher wird. Sonst ist es absehbar, dass wir der Sache nicht mehr Herr werden.

Wäre dann eine Unterstützung durch die Bundeswehr denkbar?

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Wir haben zur Bearbeitung der Krise ja direkt einen Krisenstab eingerichtet, um Sonderaufgaben zu koordinieren. Wir haben seit Anfang an auch Kontakt mit der Bundeswehr und zu anderen Einrichtungen. Wir kennen auch die Bedingungen eines Bundeswehreinsatzes. Bis jetzt ist es aber nicht soweit. Wir versuchen, es mit eigenen Kräften abzudecken. Das hat auch ganz praktische Erwägungen. Menschen, die hier im Haus helfen, haben ja einen Arbeitsplatz und die Technik, um Nachverfolgung zu betreiben oder Bescheide zu machen. Für Kräfte von außen müssten wir ja den logistischen Aufwand noch zusätzlich abdecken.

Wie sieht es mit dem Alltagsgeschäft der Kreisverwaltung aus? Es gibt ja noch andere Aufgaben als Corona.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, eine Kreisverwaltung kann so eine Corona-Krise bewältigen und alles andere läuft genauso wie sonst. Dadurch, dass wir Kapazitäten umschichten müssen, bleiben natürlich Dinge liegen. Auch Dinge im kommunalpolitischen Bereich, die sonst stattfinden, müssen geprüft werden. Aber es ist nicht so, als würden wir dringende Sachen nicht entsprechend erledigen.

Wie viel Arbeit macht der Kreisverwaltung ein Corona-Fall?

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Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich gehörte mit zu den ersten, die der Ennepe-Ruhr-Kreis jemals unter Quarantäne gestellt hat. Ich habe der Kreisverwaltung hoffentlich nicht viel Arbeit gemacht. Das Problem bei der Nachverfolgung ist, dass man die Leute erst einmal erreichen muss. Es gibt Standard-Dinge die sein müssen. Man muss einen Eintrag in der Datenbank vornehmen. Man muss, wenn eine Quarantäne angeordnet ist, entsprechende Bescheide ausstellen. Es ist ja nicht nur so, dass wir mit den Leuten zu tun haben, die einen positiven Corona-Bescheid haben. Die Arbeit ist im Wesentlichen auch, herauszufinden, mit wem diese Leute Kontakt hatten. Es macht auch einen Unterschied, ob jemand corona-positiv ist, der hier nur wohnt und in Düsseldorf im In- und Export arbeitet, oder ob eine Kollegin hier wohnt, die im Kindergarten zwei Gruppen und die Notbetreuung betreut. Wie viel Arbeit wir mit einem Corona-Fall haben, hängt also sehr stark von der jeweiligen Situation ab.

Der EN-Kreis ist mit seinen neun Kommunen ein heterogener Landkreis. Wie stehen Sie dazu, dass er bei Corona-Maßnahmen wie eine einzige Stadt behandelt wird?

Erste Sitzung des neuen Kreistages im Haus Ennepetal

Der Hattinger Olaf Schade ist seit dem Jahr 1994 für die SPD im Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises vertreten. Seit 2015 ist er hauptamtlicher Landrat. Bei der vergangenen Kommunalwahl am 13. September setzte er sich gegen Oliver Flüshöh (CDU) dfurgh und wurde er für die kommende Legisaklturperiode wiedergewählt.

Am heutigen Montag, 2. November, ab 17 Uhr wird der neue Kreistag konstituiert.

Wegen der aktuellen Corona-Pandemie passiert das aber nicht in Schwelm im Sitzungssaal des Kreishauses, sondern im Haus Ennepetal.

Der Ennepe-Ruhr-Kreis ist eigentlich ein Durchschnitt durch das Land. In vielen Bereichen haben wir ähnliche Werte. Deswegen passen Regeln, die flächendeckend im Land angewandt werden, meistens auch bei uns ganz gut. Wir haben nicht nur städtische und nicht nur ländliche Strukturen, sondern wir haben eine Mischung. Das hat auch Vorteile. Rechtsfolgen werden ja unter anderem an die Inzidenzwerte geknüpft. Da ist es in einem Kreis natürlich besser, wenn man einen Durchschnittswert machen kann.

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Wie ist Ihre Prognose – sofern man die treffen kann – wie gut der Ennepe-Ruhr-Kreis mit Corona durch den Winter kommt?

Ich habe die Hoffnung, dass die Appelle an die Bevölkerung fruchten und die Leute mitbekommen, dass jetzt eine Zeit angesagt ist, in der es darauf ankommt, Kontakte zu reduzieren. Wenn das passiert, wird es hoffentlich eine Seitwärtsbewegung geben. Das funktioniert aber nicht durch ein Gesetz oder eine Verordnung, sondern nur durch ein Verhalten von Menschen.

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