Ennepe-Ruhr. Das Robert-Koch-Institut bescheinigt dem der Ennepe-Ruhr-Kreis die landesweit schlechteste Impfquote bei Masern. Der Kreis korrigiert und erklärt

Die Impfquote bei Masern im Ennepe-Ruhr-Kreis sei mit nur 63 Prozent nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) die bei Weitem niedrigste in NRW, wo der Schnitt zuletzt bei 83,3 Prozent lag. Das wirft die Piratenpartei der Kreisverwaltung um Landrat Olaf Schade vor. Nun nimmt der Kreis Stellung, erklärt, wie es zu der niedrigen Zahl des RKI kommt, und stellt eigene – deutlich höhere Zahlen – dagegen. Danach steht Hattingen besser da als der Kreisdurchschnitt.

Rolle der Anthroposophen

Mit Befürchtungen bezüglich einer möglichen künftigen Impfung gegen das neue Corona-Virus wollte die Piratenpartei erfahren, welche Ursachen es für die Impfmüdigkeit gibt. Aus Sicht der Piraten könnten die Anthroposophen eine entscheidende Rolle im Ennepe-Ruhr-Kreis spielen. Der bundesweit als impfkritische Lobbyorganisation tätige Verein „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ ist in Herdecke ansässig und macht Stimmung gegen die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission.

Keine einheitliche Erhebung

Impfschutz in Hattingen

Im Ennepe-Ruhr-Kreis wurden nach Angaben der Kreisverwaltung zuletzt bei 909 Kindern bei der Schuleingangsuntersuchung der Impfschutz geprüft. Davon legten 94,83 Prozent das Impfheft vor. Der Schutz gegen Masern war bei 91,76 Prozent der Kinder ausreichend.

In Hattingen wurden 166 Kinder untersucht, wovon in 94,58 Prozent der Fälle auch das Impfheft kontrolliert werden konnte. Von diesen Kindern waren sogar 94,27 Prozent ausreichend gegen Masern geimpft.

Nun nimmt der Kreis Stellung zu den niedrig anmutenden 63 Prozent Impfquote. Zunächst als Hintergrund: In Deutschland existiert kein einheitliches umfassendes System zur Erhebung von Impfdaten. Daten zu durchgeführten Impfungen werden überwiegend dezentral und regional erhoben. Regelmäßig erhobene Daten zum Impfstatus liegen nur aus den Schuleingangsuntersuchungen und ab dem Geburtsjahrgang 2004 auch aus dem vom RKI koordinierten Projekt „KV-Impfsurveillance“ vor.

Der Kreis stellt aktuelle Zahlen vor: Im Zeitraum vom 1. September 2019 bis 18. März 2020 sind danach 1584 Kinder untersucht worden. „Nur fünf Elternpaare waren Impfgegner“, betont Landrat Schade.

Erklärung für die Zahl des RKI

Bleibt die Frage: Woher kommen die 63 Prozent in der Anfrage der Piratenpartei? Wer in der Übersicht des RKI den Jahrgang 2014 auswählt – als Altersgruppe ist nur 24 Monate möglich – und auf der Karte den EN-Kreis ansteuert, findet tatsächlich eine Impfquote von 63 Prozent. Damit wird ausgesagt: Im EN-Kreis waren 63 Prozent des Jahrgangs 2014 im Alter von 24 Monaten gegen Masern geimpft.

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„Das ist wenig überraschend“, sagt Astrid Hinterthür, Fachbereichsleitung Soziales und Gesundheit. „Denn Kinder im Ennepe-Ruhr-Kreis werden vergleichsweise spät abschließend gegen Masern geimpft. Bei älteren Kinder steige die Quote auf mehr als 90 Prozent.

Erhebung bei Schuleingangsuntersuchung

Das Gesundheitsamt erhebt bei den jährlichen Schuleingangsuntersuchungen den Impfstatus. In der Regel sind die Kinder dann fünf Jahre und sieben Monate alt. 2018 war bei 87,5 Prozent der Kinder ein Masernschutz durch eine zweifache Impfung erreicht, im Jahr 2019 bei 88,4 Prozent, im Jahr 2020 bei 91,7 Prozent der Kinder. Insofern habe sich die Quote stetig verbessert.

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Die Eltern erhalten bei der Untersuchung ein Merkblatt zu den nachzuholenden Impfungen – nicht nur auf Masern bezogen. Die Vorlage des Impfausweises bei der Schuleingangsuntersuchung wird verfolgt und nachgehalten. Außerdem werden Gründe für ein Nichtimpfen ermittelt. Seit vergangenem Jahr gibt es auch ein Erinnerungssystem.

Keine Masernausbrüche seit zehn Jahren

Im EN-Kreis habe es in den vergangenen zehn Jahren zudem keine Masern-Ausbrüche gegeben. Die Einzelfälle pro Jahr seien an einer Hand abzählbar, so der Kreis. Zum 1. März ist außerdem das Masernschutzgesetz in Kraft getreten. Danach dürfen Kindertagesstätten und Tagespflegepersonen Kinder mit unzureichendem Schutz nicht mehr aufnehmen.