Hattingen. Seit der Corona-Pandemie meiden Patienten die Arztpraxen. Warum Hattingens Hausärzte um ihren Sprecher Willi Martmöller dieses Verhalten besorgt.
Seit der Corona-Pandemie meiden Patienten die Praxen, canceln Menschen mit Akut-, aber auch mit chronischen Erkrankungen für sie eigentlich sehr wichtige Arztbesuche. Die Hattinger Hausärzte Dr. Willi Martmöller und Dr. Lasse Schäfers sind aufgrund dieses Verhaltens sehr besorgt.
Um die Hälfte gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres zurückgegangen seien die Patientenzahlen im April, sagen Willi Martmöller (70) und Lasse Schäfers (43). Manche der Patienten, die sie schon über Jahre betreuen, hätten sie seit Wochen nicht gesehen. Die beiden Mediziner fassen dabei die Beobachtungen von ihren Praxen an insgesamt vier Standorten in Hattingen, Sprockhövel und Bochum zusammen.
Übers Telefon kann man keine umfassende Diagnose zum aktuellen Gesundheitszustand stellen
Der Appell der Politik an die Bevölkerung, wegen der Corona-Pandemie vermeidbare Arztbesuche vorerst möglichst aufzuschieben, sei in Ordnung gewesen, betonen Martmöller und Schäfers. Aber jetzt sei ein solches Verhalten medizinisch nicht länger zu verantworten. "Übers Telefon kann man keine umfassende Diagnose zum aktuellen Gesundheitszustand stellen", so Schäfers. Nicht bei Akutbeschwerden; und nicht bei Menschen mit chronischen Herz-, Stoffwechsel- und Atemwegserkrankungen.
Die Wirkung einer Therapie bei chronisch Kranken bedarf einer regelmäßigen Kontrolle
Bei Patienten mit Vorhofflimmern, nennt Schäfers dabei ein Beispiel, könne der Hausarzt den normalen Herzrhythmus häufig mit Hilfe von Medikamenten wieder herstellen. Allerdings bedürfe die Wirkung der Therapie einer regelmäßigen Kontrolle. Denn Vorhofflimmern birgt schwerwiegende Gefahren: Es drohen Komplikationen durch Blutgerinnsel, unter anderem ein Schlaganfall. Aber auch bei Menschen mit etwa Bluthochdruck oder Diabetes müsse die Therapie regelmäßig überprüft werden.
Wenn Patienten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus nicht baldmöglichst wieder bei ihrem Hausarzt vorstellig werden, warnt Willi Martmöller, "befürchte ich, dass manche Menschen nicht an, sondern wegen Corona sterben werden".
Auch in der Notfallambulanz des Evangelischen Krankenhauses tauchen bestimmte Patienten derzeit kaum noch auf
Zumal derzeit auch in der Notfallambulanz des Evangelischen Krankenhauses bestimmte Patienten kaum noch auftauchen, wie Prof. Andreas Tromm, Chefarzt der Inneren Klinik, bestätigt - insbesondere Menschen mit akuter Luftnot, Bauch- oder Brustschmerzen. "Die Sorge, dass hinter solchen Symptomen etwas Schlimmeres steckt, etwa ein Herzinfarkt oder Schlaganfall, ist schon da."
Wie Tromm, so betonen auch die Hausärzte Martmöller und Schäfers, dass Menschen in medizinischen Einrichtungen bestens geschützt seien vor Corona. In seinen Praxen etwa, sagt Willi Martmöller, der auch Hattingens Hausarztsprecher ist, gebe es Plexiglaswände im Anmeldebereich, Desinfektionsmittel am Praxiseingang. Zudem, betonen er und Schäfers unisono, würden an die Patienten nach einer telefonischen Kontaktaufnahme über den ganzen Tag verteilte Termine vergeben, volle Wartezimmer seien dadurch ausgeschlossen. In NRWs Praxen herrscht inzwischen zudem eine Mund-Nasen-Masken-Pflicht.
Hausärzte appellieren: Bei Erkrankungen und Beschwerden schnellstmöglich wieder einen Termin ausmachen
"Bitte", appellieren Martmöller und Schäfers an die Bürger, "machen Sie bei Erkrankungen und Beschwerden schnellstmöglich wieder einen Termin bei Ihrem Hausarzt aus."
INFO:
Auch Ira Copur, Anästhesistin beim Rettungsdienst in Hattingen, beobachtet, dass Menschen zurzeit medizinische Hilfe seltener nutzen. So sei die Zahl der Rettungsfahrten in den letzten Wochen zurückgegangen - wenn auch nur leicht. Copur erklärt dies mit dem vermehrten Stay-Home-Verhalten vieler Bürger. Zu Hause etwa spürten Menschen Symptome eines Herzinfarktes nicht so schnell wie unter Belastung, wählten daher nicht den Notruf.