Hattingen. Waldstraßenschüler erinnern am 9. November mit dem Bündnis Buntes Hattingen gegen Rechts an 16 erschütternde Schicksale von NS-Opfern.

Die Stolpersteine in Hattingen, die erinnern an die Opfer des Nationalsozialmus, wieder sichtbar(er) machen, indem sie diese blitzeblank putzen – und zudem erinnern an die erschütternden Schicksale jener Menschen, deren Lebensdaten auf den 10 mal 10 Zentimeter kleinen Messingplatten eingraviert sind: Diese Aktion veranstalten Schüler des Gymnasiums Waldstraße mit dem Bündnis Buntes Hattingen gegen Rechts am Samstag, 9. November. 81 Jahre nach der Reichspogromnacht, als in ganz Deutschland organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten, tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden.

Erst die Einzelschicksale lösen wahrhaftig Betroffenheit aus

„Wenn man im Geschichtsunterricht über sechs Millionen ermordete Juden spricht, ist das etwas ganz anderes, als wenn man von Einzelschicksalen hört“, sagt der Hattinger Leon Reinecke (21). „Erst das löst wahrhaftige Betroffenheit aus.“

Der ehemalige Waldstraßenschüler hat bereits zweimal Stolpersteine in Hattingen geputzt – vor etlichen Jahren als Neuntklässler, initiiert durch eine Aktion seiner damaligen Geschichtslehrerin Sylvia Plagge, und im Vorjahr mit den Jusos anlässlich der Hattinger „Gedenk- und Aktionswoche für Toleranz und Demokratie gegen das Vergessen“.

Später, sagt Reinecke, hätten die Jusos dann erfahren, dass die Schülervertretung des Gymnasiums Waldstraße gleiches geplant hatte. Nun kommen die Jugendlichen von der Waldstraße in diesem Jahr als Initiatoren der Stolperstein-Putzaktion zum Zuge. Unterstützt wird sie dabei durch Stadtarchivar Thomas Weiß.

Schon 2014 haben Schüler des Gymnasium Waldstraße Stolpersteine in Hattingen geputzt – zusammen mit Stadtarchiv und Heimatverein. Hier wurde der Stein von Sema Abraham vor dem Bügeleisenhaus geputzt, sie lebte im Bügeleisenhaus und wurde 1942 ins Vernichtungslager nach Riga deportiert.
Schon 2014 haben Schüler des Gymnasium Waldstraße Stolpersteine in Hattingen geputzt – zusammen mit Stadtarchiv und Heimatverein. Hier wurde der Stein von Sema Abraham vor dem Bügeleisenhaus geputzt, sie lebte im Bügeleisenhaus und wurde 1942 ins Vernichtungslager nach Riga deportiert. © WAZ FotoPool | Volker Speckenwirth

Jeder einzelne Hattinger ist aufgefordert, sich an der Stolperstein-Putzaktion zu beteiligen

Und auch jeder einzelne Hattinger ist aufgefordert, sich an der Stolperstein-Putzaktion zu beteiligen: Um die insgesamt 16 in der Innenstadt vom Kölner Künstler Gunter Demnig verlegten Stolpersteine wieder auf Hochglanz zu polieren, werden nämlich interessierte Freiwillige aus der Bevölkerung gesucht, betonen Elisabeth Kloft und Tristan Jochheim (beide 17) vom Gymnasium Waldstraße.

An ihren persönlichen Stolpersteinen, für die sie am 9. November eine Art Patenschaft übernehmen, wollen sie zudem weiße Rosen niederlegen – in Kurzdokumentationen an die erschütternden Schicksale der jeweiligen Opfer erinnern (zurückgreifen können sie hierfür auf von Stadtarchivar Weiß erstellte Biografien).

Banner für Toleranz und gegen das Vergessen wird gehisst

Treffpunkt und Startpunkt des Rundganges ist das Museum am Bügeleisenhaus. Hier wurde im Jahre 2005 für Selma Abraham, die letzte jüdische Besitzerin des Gebäudes, der erste Stolperstein in Hattingen verlegt. Und hier hält Heinz Niggemann, der ehemalige Leiter des Gymnasiums Waldstraße, am 9. November einen einführenden Vortrag ins historische Thema, hier soll im Rahmen der Stolperstein-Putzaktion zudem ein von der Kunst-AG des Gymnasiums Waldstraße erstelltes Banner für Toleranz und gegen das Vergessen gehisst werden.

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Weitere Stationen auf dem Rundgang sind die Stolpersteine an der Bahnhofstraße 6, der Welperstraße 49, Am Rosenberg 58, an der Nordstraße 10, an der Bruchstraße 41, am Steinhagen und am Holschentor, ehe die Aktion um 16.30 Uhr für eine szenische Lesung des Kammertheaters Rheinland in der Stadtbibliothek unterbrochen wird. Danach endet sie dann am Synagogenplatz. Hier werden die Stolpersteine für Meier Andorn und seinen Sohn, den Rabbiner Dr. Hans Andorn, geputzt, Erinnerungstexte rund um die Reichspogromnacht verlesen. Im Anschluss findet gegen 17.50 Uhr die offizielle städtische Gedenkfeier für die Hattinger Opfer des Nationalsozialismus mit einer Kranzniederlegung statt.

Die Aktion ist auch eine Art gesellschaftliche Bildungsarbeit

„Wir hoffen, dass sich sehr viele Menschen an unserer Aktion beteiligen und damit ein Zeichen gegen das Vergessen setzen“, erklären Elisabeth Kloft, Tristan Jochheim und Gina Huber (20) vom Organisationsteam unisono. Und Leon Reinecke fügt hinzu: „Was wir hier machen, ist gesellschaftliche Bildungsarbeit. Danach nimmt man die eigene Geschichte ganz anders wahr.“

>>> DIE AKTIONS- UND GEDENKWOCHE

Mit der Aktion „Hattingen putzt Stolpersteine“ startet die diesjährige Hattinger „Aktions- und Gedenkwoche für Toleranz und Demokratie gegen das Vergessen“.

Bis zum 17. November werden unter dem Motto „Hattingen hat Haltung“ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ dabei wie bereits im Vorjahr wieder zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen in der Stadt angeboten, die insbesondere auch durch die Erinnerung an die Vergangenheit für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander werben.

Das komplette Programm ist in gedruckter Form im Rathaus erhältlich, alternativ ist es im Internet unter einseh- und downloadbar.

Interessenten, die sich an der Aktion „Hattingen putzt Stolpersteine“ beteiligen möchten, schreiben bis spätestens zum 3. November eine Mail an: sv@gywa.de