Hattingen. . Neuntklässler des Gymnasiums Waldstraße kommen Stadtgeschichte und Menschen hautnah

An der einen Stelle fallen sie mehr ins Auge, an anderer gehen sie eher unter. Oder sind derzeit gar nicht sichtbar. Vor dem Bügeleisenhaus integriert sich der Stolperstein, der 2005 als erster in Hattingen verlegt wurde, ins Pflaster. Ein Schüler hielt ihn für einen Hinweis auf die Kanalisation. Und sah bisher keinen Grund, genauer hinzusehen. Inzwischen wissen sie es alle besser, die ganze Klasse 9c des Gymnasiums Waldstraße.

Ehe am Freitag die nächsten Stolpersteine verlegt werden, brachten Jugendliche die bisherigen elf an acht Standorten auf Hochglanz. Nie waren sie den Platten so nah wie am Mittwoch, der Geschichte, vor allem der der eigenen Stadt, und besonders den Menschen, für die sie vor neun Jahren verlegt wurden.

Um 9 Uhr versammeln sich die Schülerinnen und Schüler am Marktplatz in Blankenstein. Mit Stadtarchivar Thomas Weiß und Lars Friedrich vom Heimatverein. Ein Weg von acht Kilometern liegt vor ihnen. Doch das wissen die Jugendlichen noch nicht. Und der Stadtarchivar verschweigt es am Anfang der Tour für die Opfer des Nationalsozialismus, um keinen abzuschrecken. Er kennt die Länge des Weges genau, weil er die Strecke vorab mit dem Rad abgefahren ist.

Lars Friedrich zieht ein Gefährt hinter sich her. Man denkt sofort an Bollerwagen beim Vatertagsausflug. Bier ist natürlich nicht drin, sondern Putzmittel, Tücher, Schwämme – und Wasserflaschen zum Säubern der Stolpersteine. Erster Halt ist an der Hauptstraße 9. Hier geht es um Max und Meta Blume, die älteste und lange Zeit einzige jüdische Familie in Blankenstein. Ihr Manufakturwarengeschäft spendete noch im November 1933 100 Reichsmark fürs Winterhilfswerk. Ehe zwei Schüler ihrem Stolperstein eine neue Politur verpassen können, müssen sie ihn finden. Vor einem Kirmeswagen gehen sie kurz darauf in die Knie. Das Gefährt, aus dem heraus Kirmesbesucher mit Süßigkeiten versorgt werden, steht über dem Stein. Schickt sich das angesichts der Gräuel während der Nazizeit? Die Jugendlichen sind unterschiedlicher Meinung. Diskutieren, wie später auch an den anderen Stolpersteinen. Archivar Weiß ist jedenfalls sicher, dass die Blumes früher auch die Kirmes besucht haben.