Hattingen. Aus Zeitgründen wird das Angebot der Kindergärten zum Gestalten von Schultüten kaum noch wahrgenommen. Im Geschäft gibt es fertige Bausätze.
Früher, da war noch das Basteln von Schultüten angesagt. Da griffen die Eltern, meistens natürlich die Mütter, im Kindergarten abends zu Papier, Schere und Kleber. „Heute kann man alles im Bausatz kaufen. Es gibt Bastelsets, da sind sogar die Lieblingsfiguren dabei, die man einfach nur aufkleben muss“, sagt Erzieherin Karola Heuer-Zilvar aus Hattingen.
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Aber natürlich kann die Erzieherin noch Schultüten basteln – wenn die Eltern es denn wollen. Aufwendig war das früher, als man noch mit Krepp-Papier gearbeitet, Tierfiguren ausgeschnitten und Formen ausgemalt und ausgestanzt hat.
Tüten mit Ponys, Barbiepuppen oder Einhörnern
„Heute kann man Tüten mit Gespenstern, Ponys, Barbiepuppen, Einhörnern, Prinzessinnen, Dschungelfiguren wie Affen und Schlangen und Fußbälle vom Lieblingsverein kaufen und ist ruckzuck fertig mit dem Tütenbasteln“, sagt die Mutter zweier Kinder.
Wie anders sah die Kinderwelt noch im Jahr 1999 aus, als Karola Heuer-Zilvar für ihren Sohn zur Einschulung einen Tüten-Rohling kaufte und mit Gespenstern verzierte, die sie selber aufmalen musste. „Damals gab es schon Bastelsets, die waren aber noch nicht so ausgereift“, erklärt die Erzieherin.
Heute sei alles vorgegeben, früher habe man das meiste noch in mühevoller Kleinarbeit bis in die Abendstunden, manchmal sogar bis in die tiefen Nachtstunden ausarbeiten müssen.
Ein Set nach Wahl gibt es für neun bis zwölf Euro
Da wurde zum Beispiel mit buntem Papier, dem Tonpapier, gearbeitet. Das alles habe sich sehr geändert. Mittlerweile bekomme man in jedem Geschäft für neun bis zwölf Euro ein Set nach Wahl. „Die fehlende Zeit ist bei den meisten Eltern der Grund, warum sie das Angebot zum Schultütenbasteln nicht annehmen“, sagt die Erzieherin.
Vor Jahren habe man sich mit den Eltern nachmittags oder abends bei Tee, Kaffee oder einem Gläschen Sekt zusammengefunden, selber Schablonen erstellt, Wackelaugen für bestimmte Figuren oder Glitzerschwanzflossen für eine Meerjungfrau gebastelt. Ein solcher Aufwand sei in der heutigen Zeit gar nicht mehr vorstellbar. Wohl auch deshalb, weil viel mehr Frauen als früher einer Berufstätigkeit nachgehen.
Vor Jahrzehnten war es wirklich gemütlicher
„Vor Jahrzehnten war es wirklich gemütlicher“, sagt Karola Heuer-Zilvar, die seit 30 Jahren in ihrem Beruf arbeitet. Da sei man an solchen Bastelabenden ins Gespräch gekommen, habe sich ausgetauscht und auch gegenseitig geholfen.
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Man habe die Nöte und Freuden der anderen kennen gelernt, dabei aber auch immer zusammen sehr viel Spaß gehabt. „Eine Mutter hatte kleine Blümchen oder Pferde ausgeschnitten und noch ein paar übrig. Die hat sie dann an eine andere Mutter abgegeben, die zur Verzierung noch etwas Hübsches brauchte. Und die Schablonen, die wir ja auch selbst ausgeschnitten hatten, wurden gehütet wie der Augapfel, damit sie im nächsten Jahr wieder benutzt werden konnten. Das sparte dann erheblich Zeit.“
Richtige Stofftüten genäht oder Filztüten gefertigt
Es habe auch Mütter gegeben, die mit sehr viel Aufwand richtige Stofftüten genäht oder Filztüten gefertigt haben. „Eine Heidenarbeit, aber auch ein Heidenspaß.“ Damals waren die Schultüten natürlich viel individueller als heute.
Nichts vom „Fliesband“, jede Tüte war völlig individuell. Auch wenn sich in den Jahrzehnten sehr viel geändert habe, eins sei geblieben: Die Angst und auch Aufregung der Kinder wegen der Schule. „Wenn die Kleinen für den Herbst dann schon die Daten haben, wann ihr erster Schultag beginnt, dann sind alle völlig nervös und erzählen uns das ganz stolz“, freut sich die Erzieherin.