Hattingen. Ernst Dieter Lueg entdeckt seine­ journalistische Leidenschaft am Gymnasium Waldstraße. Später glänzt er als schlagfertiger Reporter in Bonn.

„Ein schönes Wochenende, das Wetter von morgen.“

Der Satz ist ein Markenzeichen. Sein Markenzeichen. Hunderte Male gesprochen, stets zum Abschluss des „Berichts aus Bonn“. Ernst Dieter Lueg, hartnäckiger Fernsehjournalist bei der ARD, spricht ihn hundertfach zum Ende einer politischen Woche am späten Freitagabend. Seine­ journalistische Leidenschaft entdeckt er während seiner Zeit am Gymnasium Waldstraße, die ersten Praxiserfahrungen sammelt er bei der „Heimat am Mittag“.

Wehner sagt „Herr Lüg“ - Lueg erwidert darauf „Herr Wöhner“

Bundestagswahl 1976. Lueg, seit zwölf Jahren Korrespondent des WDR im Hauptstadtbüro in Bonn, hat den SPD-Faktionsvorsitzenden Herbert Wehner vor dem Mikrofon. Er befragt ihn nach den vorliegenden Zwischenergebnissen.

„Ich weiß nichts und Sie wissen nichts“, antwortet Wehner und spricht ihn mit „Herr Lüg“ an – wobei er das gedehnte „e“ in Luegs Namen offenbar absichtlich ignoriert. Lueg antwortet, gewohnt schlagfertig und selbstbewusst: „Vielen Dank für diese Zwischenkommentierungen, Herr Wöhner.“

SPD-Politiker Wolfgang Clemnt mit Ernst Dieter Lueg.
SPD-Politiker Wolfgang Clemnt mit Ernst Dieter Lueg. © ARCHIV | WAZ

Mehr als 30 Jahre lang sorgt Lueg für (Zünd-)Stoff. Erzählt politische Geschichten, reportiert mit kritischer Distanz, ist stets dabei, aber nie mittendrin. Im Jahr 1970 steht er bei Brandts Kniefall im Warschauer Ghettovier Meter neben dem Kanzler. Helmut Kohl indes dreht sich weg, als Lueg ihn 1990 anspricht. Manche bewerten dies als Güte­siegel für die Arbeit des in Hattingen groß gewordenen Journalisten, der oft als „Kohl-nah“ bezeichnet wird.

Steiger-Azubi auf der Zeche Alte Haase in Niedersprockhövel

Im Jahr 1945 kommt er in der Stadt an. Familie Lueg wird im Krieg ausgebombt, sie landet in Sprock­hövel. Und Ernst Dieter auf der Penne an der Waldstraße in Hattingen. 15 ist er. Schüchtern, zurückhaltend. „Ich habe mich nicht über die Demarkationslinie getraut, die Jungen und Mädchen trennte“, erzählt er in einem WAZ-Gespräch im Jahr 1995.

Nach dem Abitur fährt Lueg zweigleisig. Er fängt als Steiger-Azubi auf der Zeche Alte Haase an und beginnt bei der „Heimat am Mittag“. „Ich durfte dem Sportteil der Zeitung die Tore melden und mitteilen, ob der Schiedsrichter gut gepfiffen hat“, so Lueg.

Ernst Dieter Lueg
Ernst Dieter Lueg © DPA | HO

Ernst Dieter Lueg volontiert bei der „Westfälischen Rundschau“, studiert in Bonn Geschichte, Philosophie und Politische Wissenschaften. 1964 wird er Korrespondent der ARD im Bonner Studio des Westdeutschen Rundfunks. „Ich bin aber ein Junge des Ruhrgebiets geblieben“, sagt er zur WAZ Hattingen und berichtet über den Abend, als er eine Live-Schalte während des Hüttenkampfs 1987 in eine Kneipe hatte: „Das ist mir richtig unter die Pelle gegangen, dieser Aufschrei der Stahlarbeiter, die plötzlich vor dem Nichts standen.“

Eigene Satire-Puppe bei „Hurra Deutschland“ bekommen

Lueg macht den „Bericht aus Bonn“ gemeinsam mit seinem langjährigen Chef Friedrich Nowottny zur Insti­tution. Seine Art zu fragen, seine leicht näselnde Stimme, sein Charakterkopf machen ihn zur Marke. Die womöglich größte Ehre wird ihm 1989 zuteil: Denn bei „Hurra Deutschland“, der deutschen Aus­gabe der britischen Politsatire „Spitting Image“, wird er karikiert und bekommt eine eigenen Puppe – ungewöhnlich für einen Journalisten.

Jahre später steht diese in seinem Bonner Haus. Ernst Dieter Lueg steht daneben und blickt auf den Petersberg und den Drachenfels. Das Wetter ist gut.

>>> Blüm würdigt ihn als ein „Stück Bonner Republik“

Am 27. Januar 1995 moderiert Ernst Dieter Lueg zum letzten Mal den „Bericht aus Bonn“. Rund 450 Mal war er mit dieser Sendung sowie der „Bonner Runde“ und in der „Tagesschau“ auf Sendung. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm würdigt ihn als ein „Stück Bonner Republik“

Am 22. Mai 2000 erliegt Lueg im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden. Er ruht auf dem Burgfriedhof in Bad Godesberg.