hATTINGEN. . Am 1. April 1954 hat die Hattingerin Eva Radtke (79) ihre Lehre begonnen. Obwohl sie längst Rente bezieht, steht sie noch immer hinter der Theke.
Ihre Rente hat sie schon seit fast zwei Jahrzehnten durch, hinter der Fleischtheke steht die Blankensteinerin Eva Radtke trotzdem nach wie vor. Und das seit inzwischen bereits 65 Jahren.
Am 1. April 1954 hat die heute 79-Jährige ihre Lehre zur Fleischereifachverkäuferin begonnen, bei Kölner Verwandten ihrer damals in Emsdetten lebenden Familie. Drei Mark im Monat verdiente sie damals als Auszubildende, dazu gab’s Kost und Logis gratis. Und die Eltern, die Eva höchstens drei-, viermal im Jahr mit der Bahn besuchten, schickten der Tochter regelmäßig Päckchen. Mit Süßigkeiten.
Ihre Eltern betrieben einst eine eigene Fleischerei
Es sei nicht leicht gewesen, in so jungen Jahren so weit weg von zu Hause zu sein, erinnert sich Eva Radtke, geborene Wienke. Aber an der Berufsschule in der Domstadt habe sie schon bald ein Mädchen kennengelernt, mit dem sie bis heute befreundet ist: Karin. Zudem habe sie die Arbeit in der Fleischerei von Anfang an gemocht, „aber das liegt bei uns ja auch in der Familie“. So betrieben ihre Eltern bis einige Zeit vor Eva Radtkes Ausbildungsbeginn einmal eine eigene Fleischerei, und auch ihr – inzwischen verstorbener – Bruder Franz eröffnete in den 1950er-Jahren eine Metzgerei – in Kamen.
Ihren Mann, einen Fleischer, lernte sie beim Tanzen kennen
Ebendort nahm Eva Radtke nach Ende ihrer dreijährigen Lehre ihre erste Stelle an, in Kamen lernte sie Anfang der 1960er-Jahre auch ihren Mann Heinz-Günter (78) kennen – beim Tanzen. Sein Beruf? Eva Radtke lächelt: „Fleischer.“ Natürlich. Anno 1963 dann heiratete Eva ihren Heinz-Günter und alsbald heuerte das „Fach-Ehepaar Radtke“, wie die Zeitung damals titelte, in der Fleischerei Pradtke (kein Scherz!) in Welper an, ehe sich Radtke und Radtke schließlich 1971 in Blankenstein selbstständig machten.
Hier, auf der Hauptstraße (und seit 15 Jahren auch auf der Thingstraße), bringen sie bis heute ihre selbst gefertigten Wurstwaren an den Kunden, ebenso Fleisch, das sie, so Eva Radtke, von kleineren Betrieben bei Osnabrück beziehen.
Das Angebot erweitert
Über die Jahrzehnte sei das Geschäft deutlich schwieriger geworden, betont die 79-Jährige. Insbesondere Jüngere kauften seltener beim Metzger ein, „viele setzen eher auf Fertiggerichte“. Und auch teils kritischer gewordene Ansichten zum Fleischkonsum sowie Discounter machten ihnen das Leben nicht leichter. Um das Geschäft zu erhalten, habe ihre Familie mit der Zeit das Portfolio erweitert: So bieten Radtkes seit 15 Jahren auf Vorbestellung komplette Mittagsgerichte an, auch kalte Büfetts und Spanferkel gehören längst zum Angebot.
Sie isst gern Schinkenspeck
Eva Radtke sagt, es sei die Vielfalt, die ihr an ihrem Beruf bis heute so gefalle. Und die sie auch 65 Jahre nach Beginn ihres Berufslebens noch weitermachen lasse, inzwischen übrigens sogar unentgeltlich als „arbeitendes Familienmitglied“. Aber vielleicht gib’s zum heutigen Ehrentag ja zumindest ein Extrastück Schinkenspeck – „den esse ich nämlich so gern“.
>>> FLEISCHVERZEHR IN DEUTSCHLAND
Laut der Heinrich-Böll-Stiftung, Herausgeberin des „Fleischatlas“, verbraucht ein Deutscher im Leben im Schnitt zwischen 635 und 715 Tiere.
Seit 2000 ist der Fleischkonsum mit 59 bis 62 Kilogramm pro Kopf jährlich weitgehend konstant. Etwa die Hälfte des verzehrten Fleisches entfallen auf Wurst und Schinken.