Hattingen. . Im Haus Theresia leben geistig Behinderte und psychisch Kranke. Erstere sollen umziehen. Mehr Plätze gibt es in Bredenscheid dennoch nicht.
Die Theresia Albers Stiftung steht kurz davor, für ihr neues Haus in Niederwenigern den Bauantrag einzureichen. Direktor Meinolf Roth hofft, dass man im Jahr 2020 mit dem Bau beginnen kann und Mitte 2021 die geistig behinderten Menschen einziehen können. Bis dahin leben die gemeinsam mit chronisch psychisch Erkrankten in Bredenscheid in Haus Theresia. Wie es dort weitergehen soll, das beschäftigt die Bredenscheider.
In Haus Theresia treffen zwei Welten aufeinander. Im einen Flügel werden Einrichtungsleiterin Yvonne Noellen und ihre Stellvertreterin Britta Eichholtz mit einem breiten Lächeln begrüßt. Eine Bewohnerin stürzt mit ausgebreiteten Armen auf die Besucher in ihrer Wohngruppe zu und nimmt sie herzlich in den Arm. Insgesamt 24 Bewohner mit geistigen Behinderungen werden in Zukunft in Niederwenigern leben. „Sie können von der Inklusion, von der nahen Anbindung im Ort profitieren und gewinnen an Lebensqualität“, weiß Britta Eichholtz.
Und dann sind da die psychisch Erkrankten. Auf der Wohngruppe ist es still. Viele sind an diesem Morgen in Beschäftigungen. Wer nicht, ist lieber für sich. Hier werden Menschen mit manischer Depression behandelt, mit Traumata, mit Psychosen, ausgelöst durch Missbrauchserfahrungen, durch Drogenkonsum oder anderes. Sie sind oft verschlossen, in sich gekehrt.
Individuell aufgestellter Hilfeplan
Wer hier hinkommt, hat einen genauen, vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe individuell aufgestellten Hilfeplan mit Therapien. Bewohner, die aufgrund ihrer Erkrankung strafrechtlich auffällig geworden sind, leben nicht in Bredenscheid, betont Noellen. Dafür gibt es die Forensik. Das Haus Theresia ist dagegen ein offenes Wohnheim. Das bedeutet auch, dass Bewohner kommen und gehen dürfen wann sie wollen.
Einige Nachbarn hatten dabei auch schon unliebsame Begegnungen, fühlten sich verfolgt und bedroht, weil sie ihr Gegenüber nicht einschätzen konnten, wie sie sagen. Denn tatsächlich verhalten sich viele der Kranken eben nicht so, wie man es als normal betrachten würde. Das bestätigt auch die in einem Fall gerufene Polizei. „Die Kollegen haben aber einen eher hilflosen Menschen beschrieben, keinen aggressiven“, erklärt Polizeisprecherin Sonja Wever.
Leitung: Es gibt hier absolut keinen Freifahrtschein
„Aber es gibt hier absolut keinen Freifahrtschein“, betont Noellen. Fühle sich jemand von Bewohnern bedroht, solle er sich nicht scheuen, die Polizei zu verständigen und auch Anzeige zu erstatten. Gebe es Vorfälle im Haus, erstatte auch die Einrichtung selbst Anzeige.
Derzeit leben etwa 70 Bewohner in Haus Theresia. Nach dem Umzug der geistig Behinderten werden es in Bredenscheid 50 Bewohner sein, erklärt Meinolf Roth. Ausbauen werde man nicht – könne man nach den gesetzlichen Vorgaben auch gar nicht. Stattdessen soll es aber auch in Haus Theresia in Zukunft Modernisierung geben. Sie sollen für mehr Platz für die Bewohner, aber nicht für mehr Plätze sorgen.
Vorfreude auf Niederwenigern
Über den Umzug nach Niederwenigern habe man mit allen betroffenen behinderten Bewohnern bereits gesprochen. „Sie freuen sich auf das neue Haus und sind schon ganz aufgeregt“, sagt Noellen. Von Theresia Albers’ „Mädchen“, die viele noch von früher vor Augen haben, gebe es aber gar nicht mehr so viele in Haus Theresia. Menschen wie die „minderbegabten Mädchen“ von damals könnten heute – zum Glück – häufig zuhause leben.
>>> Wieder eigenständig leben lernen
Im Haus Theresia, das als Einrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen begann, leben seit dem Jahr 2000 auch psychisch Erkrankte. Aufgenommen werden in der Einrichtung Menschen zwischen 18 und 65 Jahren. Die meisten der Bewohner haben Mehrfach-Diagnosen – wenn zum Beispiel zu einer geistigen Einschränkung eine Psychose oder ein Trauma kommt. Dabei gibt es jeweils eine Diagnose, die überwiegt und entscheidet, ob ein Bewohner im Bereich der geistig Behinderten oder psychisch Erkrankten lebt. Zuletzt seien die Neuaufnahmen „drastisch jünger“ geworden – alle seien unter 30 Jahre alt, sagt Yvonne Noellen. Häufig spielte Drogenmissbrauch eine Rolle.
In Haus Theresia lernen die Betroffenen, wieder eigenständig zu leben. Das reicht von der alltäglichen Hygiene über Besorgungen, Ämtertermine bis zur Freizeitgestaltung. Betreut werden die Menschen rund um die Uhr. Dabei sieht der gesetzliche Betreuungsschlüssel auf einen Mitarbeiter drei Bewohner vor. Die Betreuer arbeiten in drei Schichten. Also muss sich ein Mitarbeiter deshalb um mehr Menschen kümmern.
Die Bewohner leben in Wohngruppen zusammen, in denen jeder seinen eigenen Bereich hat, es aber auch einen gemeinsamen Aufenthaltsbereich und eine Küche gibt.
Der Tagesablauf ist strukturiert. Nach dem Wecken und gemeinsamen Frühstück werden Küchendienste erledigt. Dann geht es in die Beschäftigungsbereiche – in der Hauswirtschaft, zum kreativem Arbeiten, in den Garten etc. Jeder muss zudem seinen Wochenplan erfüllen. Dazu gehört auch die Zimmerreinigung. Am Nachmittag gibt es gemeinsame Einkäufe und Freizeit – Feiern, Kinonachmittage, Angebote und mehr.
Dabei will sich das Haus öffnen. Denn zum Beispiel zu Computerkursen ist jeder willkommen – Bewohner, auch anderer Einrichtungen, ebenso gesunde Besucher. „Wir sind offener geworden“, sagt Britta Eichholtz. Dabei hätten zu Zeiten, als die Schwestern die Einrichtung leiteten, sogar mehr Menschen hier gewohnt als jetzt.