Hattingen. 60 Bürger suchen nach Haken bei der Vergabe der Hattinger Kanäle an den Ruhrverband. Sie fragen nach Ansprechpartnern und Gebührenentwicklung.

Sogar die Redezeiten waren ausgewogen: 90 Minuten Expertenvorträge, 90 Minuten Bürgerdialog – das war der Rahmen bei der Informationsveranstaltung zur geplanten Übertragung des Kanalnetzes an den Ruhrverband. 60 Hattingerinnen und Hattinger kamen am Montagabend ins Rathaus, um sich das Millionengeschäft erklären zu lassen und Fragen zu stellen.

Worum geht es? Die Stadt möchte den Betrieb des kommunalen Kanalnetzes an den Ruhrverband übertragen. Das Geschäft soll kurzfristig 110 Millionen Euro in die Stadtkasse spülen, weitere 25 Millionen in den nächsten 20 Jahren. Mit den 110 Millionen Euro will der Kämmerer auf einen Schlag den Großteil der aktuell 133 Millionen Euro Kassenkredite tilgen, mit den fortlaufenden Jahreszahlungen die künftigen Haushaltsausgleiche leichter schaffen.

Ansprechpartner bleiben vor Ort

Ein externer Gutachter hat das geplante Geschäft durchleuchtet und bestätigt, dass die Übergabe fair verlaufen würde und beiden Seiten Vorteile bringe. Grund genug für die Bürgerinnen und Bürger, nach dem Haken bei der Sache zu suchen.

Kämmerer Frank Mielke.
Kämmerer Frank Mielke. © Fischer

„Heute habe ich konkrete Ansprechpartner vor Ort, wenn es Probleme an Kanälen oder Pumpstationen gibt. Muss ich künftig in Essen anrufen“, will ein Hattinger wissen. „Nein“, sagt Norbert Frece, Vorstandschef des Ruhrverbandes. „Das Personal bleibt am Standort, auch wenn es dann unsere Mitarbeiter sind.“ Wer künftig bestimmt, ob der Kanal-TÜV für Privathäuser eingeführt wird oder nicht, fragt ein anderer Teilnehmer. Antwort des Ruhrverbandes: das Land Nordrhein-Westfalen, dabei bleibe es.

Um die künftige Höhe der Abwassergebühren geht es mehreren Fragestellern. Der Ruhrverband hat zugesagt, dass es in den nächsten Jahren Steigerungen von jeweils um die 0,7 Prozent geben werde, mehr nicht. Frage: Werden die Zahlen kontrolliert? Antwort: Ja. Bürgermeister Dirk Glaser lenkt den Blick auf die Stadt Meschede, die das Geschäft mit dem Ruhrverband vor zwölf Jahren abgeschlossen hat. Dort sinken die Gebühren.

Der Ruhrverband arbeitet ohne Gewinne

Warum nicht alle 60 Kommunen im Ruhrverband die Netzübertragung wollen, fragt ein Teilnehmer. Norbert Frece: „Weil es nicht für alle Städte finanziell so lukrativ ist wie für Hattingen.“ Stadtkämmerer Frank Mielke erklärt das so: „Wir sind mit dem Kanalnetz bisher sehr konservativ umgegangen, haben nichts ausgelagert. Daher ist der finanzielle Nutzen jetzt für uns am größten.“

Warum nicht ausgeschrieben werde, will ein Bürger wissen. Weil private Unternehmen die Übernahme so nicht stemmen könnten, sagt Norbert Frece. „Der Ruhrverband arbeitet ohne Gewinne.“

Immer wieder wird die Frage nach der Transparenz gestellt. „Sie wird vollständig sein“, verspricht Dirk Glaser. Alle Informationen und Vorträge kämen ins Internet, auch die Prüfberichte der externen Gutachter.

>>> KOMMENTAR: Sternstunde der Bürgerstadt

So funktioniert Demokratie. Wer das zu pathetisch findet, kann auch sagen: Schön, dass Stadtverwaltung und Bürgerschaft alles richtig gemacht haben. Die Informationsveranstaltung zur geplanten Übertragung des Kanalnetzes an den Ruhrverband war eine Sternstunde der Bürgerstadt. Hier die Stadtspitze, die informiert und sich auf den Prüfstand stellen lässt. Dort die Bürger, die das Recht auf Fragen nutzen – moderat im Ton, hart in der Sache. Toll.

Zwischen Wutbürgern, die Keile in die Stadtgesellschaft treiben, und Null-Bock-Hattingern, die sich für nichts interessieren, haben die 60 Bürgerinnen und Bürger im Rathaus den Kurs vorgegeben. Augen und Ohren auf, mitdenken und mitmachen, Antworten einfordern.

Jetzt ist die Politik am Zug. Das Thema liegt seit November 2018 auf dem Tisch. Es gibt keinen Grund, am 11. April im Stadtrat nicht zu entscheiden. Ulrich Laibacher