Hattingen. Nationalsozialist Wilhelm Schepmann aus Hattingen wird 1943 Stabschef der SA. Nach dem Krieg ändert er seinen Namen und tritt in die SPD ein.

Die 1930er-Jahre, Hattingen gilt längst als national. Als Hochburg. Hitler kommt seit 1926 regelmäßig zu Besuchen, Goebbels ist gerne und oft hier, schwärmt in Tagebüchern vom Paddeln auf der Ruhr. An der Spitze der lokalen NSDAP steht Wilhelm Schepmann; als Stabschef der Sturmabteilung (SA) macht der Hattinger eine Karriere unterm Hakenkreuz – ranghoch, aber vergleichsweise bedeutungslos, wie die Engländer nach dem Krieg erkennen, als sie ihn festnehmen und auf die Insel bringen. Denn seinen letzten Aufstieg hat er nur dem Tod seines Vorgängers Viktor Lutze zu verdanken.

Hattingen lebt die Extreme. Hier die Nationalsozialisten, da die Kommunisten, immer wieder prallen sie aufeinander: Die Rechten demonstrieren im Westenfeld, damals auch Klein-Moskau genannt, SA-Mitglieder erschießen am 30. Juni 1932 am Flachsmarkt den Kommunisten Hubert Lubberich. Doch Wilhelm Schepmann, NSDAP-Mitgliedsnummer 26762, schlängelt sich auf seine ganz eigene Art und Weise durch diese Zeit. Er bewahrt zum Beispiel mehrere Linke vor der Schutzhaft, weshalb auch alteingesessene Kommunisten nichts auf ihn kommen lassen.

Dreimal wird er im Ersten Weltkrieg verwundet

Geboren wird Wilhelm Schepmann am 17. Juni 1894 in Baak. Nach seinem Abschluss am Gymnasium Waldstraße absolviert er ein Lehrerseminar und arbeitet als Volksschullehrer in seiner Heimat. Als Soldat des Westfälischen Jäger-Bataillons Nr. 7 nimmt er am Ersten Weltkrieg teil und kommt an der West- und Ostfront zum Einsatz. Dreimal wird er verwundet, davon zweimal schwer.

Schon im Jahr 1922 schließt sich Schepmann der NSDAP an. Er organisiert gemeinsam mit Viktor Lutze den Aufbau der SA im Ruhrgebiet. Er sorgt dafür, dass Hattingen eine der Hochburgen der Nationalsozialisten in der Region ist. Er gibt den Schuldienst auf, wird hauptamtlicher Politiker, später Polizeipräsident in Dortmund und Regierungspräsident in Dresden.

Nach dem Unfalltod von Viktor Lutze am 2. Mai 1943 folgt sein letzter Karriereschritt unterm Hakenkreuz: Wilhelm Schepmann wird SA-Stabschef. „Er ist bestens qualifiziert. Mit Schepmann werde ich gut arbeiten können“, schreibt Joseph Goebbels im August 1943. Bis zum Kriegsende bleibt der Hattinger im Amt, obwohl er zwischendurch immer wieder stolpert – etwa bei einer Gauleitertagung, bei der er eine Rede hält, die nicht im Sinne der Führung ausfällt.

Im Mai 1945 nimmt Schepmann den Decknamen Schuhmacher an und arbeitet im Kreiskrankenhaus Gifhorn. Er tritt in die SPD ein – „als Wiedergutmachung“, wie er seiner Familie erzählt. Erst im April 1949 wird er vom britischen Sicherheitsdienst aufgespürt; doch dieser stellt fest, dass er nicht von Bedeutung ist und übergibt ihn zurück an die deutschen Behörden.

Er gilt nach dem Krieg als „unbelastete Person“

Schepmanns Entnazifizierungsverfahren verläuft für ihn problemlos: Zunächst wird er in die Gruppe III der Minderbelasteten, und dann aber sogar in die Gruppe der unbelasteten Personen eingestuft. Für seine Zeit als Volksschullehrer werden ihm Ruhestandsbezüge in Höhe von 395,35 Mark im Monat zugesprochen.

So bleibt es bei neun Monaten Haft, nach deren Verbüßung Wilhelm Schepmann als Politiker in den Rat der Stadt Gifhorn einzieht. Er wird sogar Erster Beigeordneter und ehrenamtlich stellvertretender Bürgermeister. Allein seine Wiederwahl scheitert am Medienecho, das ein Bericht einer Gewerkschaftszeitung über die Vergangenheit als SA-Stabschef auslöst. Schepmann gibt zu Protokoll: „Damit die Welt sich wieder in Ruhe weiterdrehen kann, verzichte ich auf mein Amt.“