Heute vor 75 Jahren: In Berlin wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. In Hattingen feiern NSDAP-Anhänger den Tag mit einem Fackelzug - die Kommunisten protestieren

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Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum deutschen Reichkanzler ernannt. Unter dem Namen "Machtergreifung" ist dieser Tag in die Geschichte eingegangen. In der Hattinger Zeitung wurde das "Reichskabinett Hitler" vorgestellt. Von Anhängern der NSDAP gefeiert, begannen schon bald nach Hitlers Amtsantritt die Eingriffe in die Freiheit von Presse und Andersdenkenden.

In Hattingen ist die neue Regierung für viele ein Grund zur Freude. "Hattingen war schon sehr früh sehr national", sagt Stadtarchivar Thomas Weiß. Bereits Anfang der 1920er Jahre startet die nationalistische Bewegung. "Sicherlich auch angeschoben durch die Besatzung der Franzosen", die in der Folge des Ersten Weltkriegs bis 1925 im Ruhrgebiet regiert haben. "Dadurch bekommen die Rechten Zulauf", so Weiß. "Wenn ich gegen die Besatzer bin, bin ich national."

Bereits 1926 besucht Hitler mehrfach Hattingen, und auch der gebürtige Elberfelder Joseph Goebbels kommt oft und gern hierher. In seinen Tagebüchern erzählt er vom Paddeln auf der Ruhr. Eines der prominenten Hattinger Parteimitglieder: Hüttendirektor Arnold. Als Stabschef der SA macht der Hattinger Wilhelm Schepmann Karriere.

Bei den Reichstagswahlen 1928 zeichnet sich die Haltung der Hattinger ab: Während die NSDAP reichsweit gerade einmal auf 2,5 Prozent kommt, wählen in Hattinger 15 Prozent braun (23 Prozent stimmen für die SPD, 17 Prozent für die KPD). Es ist ein Hattinger Phänomen: NSDAP wie KPD sind bei den freien Wahlen stark vertreten.

Eigentlich, so Thomas Weiß, hätte Hattingen als Stahlstadt eher gemäßigt wählen sollen. "Im Grunde genommen ist es aber so, dass wir die Extreme haben." Dabei sind es besonders die Bewohner der Innenstadt, die rechts wählen. Im Amt Hattingen bekommt die NSDAP bei der Kommunalwahl im November 1929 rund elf Prozent, im Amt Blankenstein gut neun Prozent der Stimmen. In Hattingen selbst sind es fast 20 Prozent, die zu großen Teilen aus dem Mittelstand kommen. Die KPD kommt auf 15,8 Prozent.

Am 12. März 1932 berichtet die Hattinger Zeitung über eine nationalsozialistischen Demonstration mit rund 200 Teilnehmern durch den Ortsteil Im Westenfelde, damals auch Klein-Moskau genannt. Unter den Demonstranten eine große Zahl von Geschäftsleuten und Angestellten.

Die Stadt ist weiter in extreme Lager aufgeteilt. Es kommt zu Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Die Lage spitzt sich zu. Am 30. Juni 1932 erschießen SA-Mitglieder am Flachsmarkt vor der KPD-Geschäftsstelle den Kommunisten Hubert Lubberich. Das Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Täter wird im Januar 1933 im Rahmen einer Amnestie niedergeschlagen.

Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die Nachricht wird von den Hattinger Nationalsozialisten mit Jubel aufgenommen. Mit einem Fackelzug durch die Stadt und einer anschließenden Kundgebung auf dem Flachsmarkt feiern sie ihren Führer.

Die Gegendemonstration der KPD startet am nächsten Tag. Schon bald folgen die ersten Repressalien gegen Systemgegner. Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Entlassungen beginnen kurz nach der Machtergreifung.

Bei der Kommunalwahl am 12. März 1933 übernehmen die Nazis dann auch lokal das Ruder: 47,2 Prozent der Stimmen erhalten sie in der Stadtvertretung Hattingen, im Amt Hattingen werden sie mit 32 Prozent stärkste Partei. Allein im Amt Blankenstein liegt die SPD mit 34,6 Prozent weiter an der Spitze, die NSDAP bekommt 28 Prozent. Kurz nach der Wahl werden die Vertreter der KPD unter den Verdacht der Hochverrats gestellt - im Juni wird die SPD verboten.

Am 24. März erhält Hitler durch das Ermächtigungsgesetz diktatorische Vollmachten - vier Tage später wird er Hattinger Ehrenbürger.