Hattingen. Kabarettist Jürgen Becker erklärt die Kulturgeschichte der Fortpflanzung. Sein Auftritt in der Kleinen Affäre soll kein One-Night-Stand bleiben.
44 Augenpaare sind auf den Mann hinter dem rot erleuchteten Schaufenster geheftet. Eng nebeneinander sitzen die Zuschauer im Raum vor der Bühne am Markplatz 19, damit auch alle die kleine Affäre des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker mitverfolgen können. Der zieht das Publikum mit seinem Programm „Volksbegehren. Die Kulturgeschichte der Fortpflanzung“ buchstäblich aus – und macht das neue Wohnzimmer für Kultur in Blankenstein zum Schlafzimmer.
Schämen ist nicht drin
Leidenschaft, Fortpflanzung, Sex: Die Zuschauer erleben ein intensives Programm. „Ich mache das passende Programm zum Namen der Galerie“, scherzt Becker. Eines wird schnell klar: Der Abend in der Kleinen Affäre geht unter die Gürtelline und schämen ist nicht drin. Aus dem Tabuthema macht Jürgen Becker einen schlüpfrigen Biologie-Vortrag mit Witz. Das Ganze verdeutlicht er mit einer Diashow aus antiken Kunstwerken und politischen Werbeplakaten – wenn auch meist humoristisch zweckentfremdet. Das ist Unterricht nach Geschmack des Publikums.
Triebe gab es schon immer. Also taumelt das Programm zwischen antiken Göttern, dem Mittelalter, Philosophen und der ach so komplizierten Gegenwart hin und her. Besonders zur heutigen Zeit gibt es natürlich unzählige Studien und Statistiken zum Thema. Zum Beispiel werde das meiste pornografische Material zwischen 9 und 17 Uhr heruntergeladen. „Da bekommt der Begriff Gleitzeit eine ganz neue Bedeutung.“
Und auch die Religion hat ihre Berechtigung im Programm. Schließlich dreht sich die gesamte Weihnachtsgeschichte um die jungfräuliche Geburt. Dazu steht in der Bibel: Josef erkannte Maria nicht. Nur sind im Hebräischen die Worte Erkennen und Sex das gleiche. „Passen Sie also auf, wenn sich demnächst jemand erkenntlich zeigen möchte.“ Und wenn man schon über Religion und Bibel spricht, ist die Katholische Kirche bei so einem Programm natürlich nicht weit – gut weg kommt sie allerdings nicht.
Birken und Hautärzte überleben
Aber Fortpflanzung gibt es natürlich nicht nur bei Menschen. Auch Birken pflanzen sich fort – durch Pollen. „Das sichert das Überleben von gleich zwei Arten: der Birken und der Hautärzte mit Allergieberatung“, erzählt Becker. Mit seinem Charme und seiner unverblümten Art verführt einer der Gründer und frühere Präsident der Kölner Stunksitzung sein Publikum zum Lachen.
Peinlich berührt fühlt sich in der familiären Umgebung der Kleinen Affäre niemand. Die Nähe zum Künstler ist eine ganz andere als in großen Hallen. Und nicht nur das: „Das ist besser als Fernsehen“, sind sich die Hattinger Zuschauer einig. Aus der Kölner Großstadt auf die kleine Bühne in Blankenstein – das ist mal was anderes. Und auch das Programm ist besonders. Genau das kommt an. Jürgen Becker will wiederkommen – die kleine Affäre soll kein One-Night-Stand bleiben.