Hattingen. . Eine Seniorin muss eine Geldstrafe zahlen, weil sie in Hattingen eine Frau überfahren hat. Der Richter richtet eine Forderung an den Gesetzgeber.

Eine 98-Jährige sitzt vor dem Schöffengericht. Angeklagt ist sie der fahrlässigen Tötung. Mit ihrem Mercedes hatte sie am 16. Februar 2017 eine 82-Jährige überfahren. Das Opfer starb Tage später im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen.

„Fast jeder Knochen war gebrochen“, sagt Richter Johannes Kimmeskamp. Die Angehörigen weinen, als es um die Klärung des Unfallhergangs geht. Direkte Augenzeugen gibt es nicht. Ein Polizist sagt aus, dass die Angeklagte gleich nach dem Unfall ausgesagt hätte, die Frau mit dem Rollator auf dem Bürgersteig stehen gesehen zu haben. Aber sie hätte gedacht, dass diese ihn nicht überqueren will. Vor Gericht will sie das Unfallopfer erst gesehen haben, als es bereits auf der Straße war.

Angeklagte verzichtet auf Fahrerlaubnis

„Und ich bin sehr langsam gefahren. Es tut mir unendlich leid, was passiert ist, aber ich kann es nicht wieder rückgängig machen“, sagt sie. Auf eine Fahrerlaubnis verzichtet sie, der Wagen ist längst verkauft.

Überhöhte Geschwindigkeit kann der Sachverständige nicht feststellen. Mit 40 Kilometern pro Stunde sei die Verursacherin wohl unterwegs gewesen an jenem Februartag gegen 11.30 Uhr auf der Marxstraße Richtung Blankenstein. Zum Friedhof, heißt es im Prozess, habe die Geschädigte gewollt, als der Wagen sie erfasste. Sie muss wohl auch gegen die Windschutzscheibe geprallt sein. „Sie blutete aus Mund und Nase und ein Zahn lag ausgeschlagen da“, berichtet eine Zeugin, selbst Ärztin, die nach dem Unfall die Stelle passierte, der Bewusstlosen Erste Hilfe leistete.

Keine Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben

Seit dem Jahr 1962 hat die kinderlose Witwe, die emotionslos wirkt vor Gericht, ihren Führerschein, war nie auffällig, „hat keinen Punkt in Flensburg“, so ihr Anwalt. Viel sei sie gefahren, den Wagen hatte sie 2010 neu gekauft. Fahrlässige Tötung sieht das Gericht gegeben. Die 98-Jährige sei verantwortlich für den Tod. „Sie haben nicht richtig aufgepasst“, wendet sich Kimmeskamp an die Frau, „das ist ein furchtbares Geschehen auch für sie. Aber der Unfall wäre vermeidbar gewesen.“

Dass sie körperlich und geistig nicht in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen, also den Straßenverkehr gefährdet habe, dafür sah Kimmeskamp keine Anhaltspunkte. „Aber man muss kritisch sagen, dass sie durch ihr hohes Alter schon eingeschränkt sind. Sie sind für ihr Alter noch fit, aber das ist eben nur relativ. Das ist nicht in Ordnung, in dem Alter noch Auto zu fahren. Da müsste der Gesetzgeber vielleicht mal etwas ändern. Das Risiko ist zu groß.“ „Alle haben bestätigt, dass ich gut fahre“, sagt die Angeklagte da noch. Ihre Strafe: Sie muss 13.500 Euro zahlen.

Das mögliche Strafmaß reicht bis zu fünf Jahren Haft

Der Paragraph 222 des Strafgesetzbuches dreht sich um die fahrlässige Tötung: „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Positiv rechnete das Gericht der Angeklagten an, dass sie bis zum Unfall als Fahrerin nie auffällig gewesen war.