WAZ-Leser besuchen das Amtsgericht Hattingen. Direktor Dr. Karl-Martin Lucks und Rechtspflegerin Birgit Baumgart erläutern Aufgaben und Historie.
- 20 WAZ-Leser besuchen das Amtsgericht Hattingen, sie erfahren viel über Aufgaben und Historie
- Direktor Dr. Karl-Martin Lucks lässt die Teilnehmer auch in die beiden Vorführzellen blicken
- Er erklärt dass ein Kuschelzimmer genannter Raum für Prozesse bei Familiensachen kaum noch genutzt wird
Kaffee und Kekse gibt es im Sitzungssaal 1 des Amtsgerichtes normalerweise nicht, doch an diesem Montagmorgen herrscht in diesem Raum eh’ eine Art Ausnahmezustand. Schließlich haben auf den Zuschauersitzen mit 20 interessierten Bürgern so viele Platz genommen, wie sonst, wenn hier Prozesse stattfinden, nie. Angelockt hat sie alle dabei die Aktion „WAZ öffnet Pforten“, bei der die WAZ-Leser vom kommissarischen Direktor Dr. Karl-Martin Lucks und Rechtspflegerin Birgit Baumgart Interessantes rund um Aufgaben und Historie des Amtsgerichtes erfahren. Und dank der sie unter anderem auch in die Zellen blicken dürfen.
Insbesondere auf diese beiden Vorführzellen, in denen Inhaftierte auf ihre Vernehmung warten, freut sich die neunjährige Ina Oberdellmann in Begleitung ihres Opas Dieter Oberdellmann (71) schon sehr. Die zwei – wie alle Besucher des Amtsgerichtes – haben vorhin bereits die Sicherheitsschleuse passiert, wo sie ähnlich wie an Flughäfen kontrolliert wurden. „Damit hier niemand eine Bombe oder sonst etwas Gefährliches einschleust“, erklärt Lucks.
Rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen
Für ihn und seine Kollegen am Amtsgericht – „Eingangsgericht der so genannten ordentlichen Gerichtsbarkeit“ – gibt es vielfältige Aufgabenbereiche. Neben Strafprozessen mit zu erwartender Höchststrafe von vier Jahren geht es in diesem Haus auch um zivilrechtliche Streitigkeiten, also um Fälle, in denen es um rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen geht. Darunter fallen unter anderem auch Familienangelegenheiten, so Lucks.
Birgit Baumgart gibt sodann einen Einblick in die (Vor)-Geschichte des Amtsgerichts Hattingen. Der heutige Bau – „seinerzeit als sehr modern gelobt“ – wurde am 17. November 1964 eingeweiht. Nach zehnjähriger Planungs- und dreijähriger Bauzeit, direkt neben dem alten Amtsgericht von 1847 an der Stelle des heutigen Parkplatzes. „Gebaut“, so Baumgart, „wurde damals übrigens im laufenden Gerichtsbetrieb. Seit dem Kinoabriss nebenan können wir uns bestens vorstellen, was das für die Mitarbeiter damals bedeutet hat.“
Computer gibt es seit dem Jahr 2002
Als die Rechtspflegerin wenig später verrät, dass im Amtsgericht erst anno 2002 die ersten Computer angeschafft wurden, müssen einige WAZ-Leser schmunzeln. Und als sie nachschiebt, dass „das Finanzministerium NRW uns ja ein Budget zuweist, mit dem wir haushalten müssen und wir von niemandem gesponsert werden“, sagt Petra Seger (63): „Doch – von uns Steuerzahlern . . .“
Nach einer faktenreichen halben Stunde geht’s schließlich endlich in den Keller – zu den zwei Vorführzellen, jede keine vier Quadratmeter groß, nur mit einem Tisch und einer Holzbank ausgestattet. Per Kamera lassen sich Inhaftierte in diesen beobachten – und durch ein Guckloch in der Stahltür. „Da möchte ich wirklich nicht drin sitzen“, sagt Helmut Steinmaurer (77). Und Lina Oberdellmann verrät: Etwas komfortabler habe sie sich die Zellen schon vorgestellt.
Raum 32 hat eine Doppelfunktion
Zum Abschluss geht’s für die WAZ-Leser in Raum 32, einen weiteren Gerichtssaal, entstanden auf Initiative des damaligen Familienrichters Klaus Stritzke, der diesen zugleich als Büro nutzte. Noch heute hat der Saal diese Doppelfunktion – eigentlich. Doch „das Kuschelzimmer“, wie Lucks ihn aufgrund seines Tisches nennt, an dem sich zwei Streitende tatsächlich sehr eng gegenübersitzen, werde inzwischen nur noch selten für Verhandlungen genutzt. „Denn Familienangelegenheiten sind meist nicht ganz angenehm. Da brauchen alle Abstand.“