Hattingen. . Daniela Pietsch und ihre Familie leben von Hartz IV. Bei der Tafel Lebensmittel für wenig Geld einkaufen zu können, sichert ihre Existenz mit.

„Wenn es die Tafel nicht gäbe“, sagt Daniela Pietsch, „dann hätte meine Familie große Probleme, über die Runden zu kommen.“ Drei Söhne im Alter von 21, 18 und fünf Jahren hat die 42-jährige Hattingerin. Und einen gleichaltrigen Partner, der wie sie ohne Arbeit dasteht. Von rund 1500 Euro monatlich, die sie als Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft beziehen, wie Daniela Pietsch erklärt, müssten sie zu fünft ihren Lebensunterhalt bestreiten. Da seien die wöchentlichen Besuche der Hattinger Tafel, bei der sie für kleines Geld einkaufen kann, finanziell „eine Riesenentlastung“.

Vier Euro pro Einkauf spendet Daniela Pietsch an die Tafelbetreiber; der Gegenwert der Lebensmittel sei stets um einiges höher, sagt sie. Und dass die Waren, die es bei der Tafel gebe, nicht mehr genießbar seien, wie mancher Nicht-Tafelkunde glaube, stimme nicht. „Schlecht gewordene Lebensmittel sortieren sie bei der Tafel aus“.

Sie wüsste nicht, warum man Armut verstecken sollte

Von einer Nachbarin übrigens erfuhr Daniela Pietsch im Herbst 2011 von der Tafel auf der Nordstraße, kurz zuvor war sie mit ihrer Familie aus Rheinberg nach Hattingen gezogen. Mit jener Frau, die ein paar Häuser neben ihr wohnte, hat sie dabei offen über ihre Lebenssituation gesprochen. „Ich wüsste auch nicht“, sagt Daniela Pietsch, „warum man Armut verstecken sollte.“

Natürlich weiß sie, dass nicht jeder so offen dazu steht wie sie; bei ihrem Vater etwa spürt sie immer wieder, wie unangenehm es ihm ist, wenn sie sich in seiner Begleitung in der Öffentlichkeit als Tafel-Kundin outet.

Doch was heißt schon: Tafel-Kundin? Daniela Pietsch, die diese Einrichtung für bedürftige Menschen auch schon in Rheinberg genutzt hat, sagt: „Die Zeit bei der Tafel ist zumeist meine schönste.“

Mitgekämpft für den Erhalt der Tafel

Denn hier kauft die 42-Jährige nicht nur regelmäßig alles ein, was im Laden an gespendeten Lebensmitteln gerade so vorrätig ist. Hier unterhält sich Daniela Pietsch mit den Mitarbeitern auch oft über das, was ihr auf der Seele brennt. „Diese Sozialkontakte sind wichtig, manche Tafel-Mitarbeiter sind für mich zu guten Freunden geworden.“

Dazu beigetragen hat auch die Zeit, als sie selbst mithalf bei der Essensausgabe: erst ein Jahr in Form einer Maßnahme des Jobcenters zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, dann ehrenamtlich.

Schon fast ihr halbes Leben in der Hartz-IV-Schleife

Seit einigen Monaten hat Daniela Pietsch dafür keine Zeit mehr: Sie, die vor zweieinhalb Jahren auch Unterstützungs-Unterschriften gesammelt und mitgekämpft hat für den Erhalt der damals wirtschaftlich gefährdeten Tafel, absolviert gerade wieder eine Maßnahme. Bei Mäck Möbel, dem Second-Hand-Kaufhaus des Vereins „Hattingen Arbeit + Zukunft“.

Ob sie hofft, mal dauerhaft herauszukommen aus der Hartz-IV-Schleife, in der sie schon fast ihr halbes Leben steckt? Daniela Pietsch holt tief Luft, ehe sie antwortet: „Das ist echt schwer – zumal als ungelernte Kraft. Ich bin in meiner Jugend einfach zu faul gewesen.“

Wer nimmt einen schon mit 42?

Zwar habe sie nach der Schule eine Ausbildung begonnen, als Frisörin, diese aber aufgrund ihrer Schwangerschaft abgebrochen. 2003 dann habe sie ihre Fachoberschulreife nachgeholt, aber mehr als Gelegenheitsjobs als Kassiererin bekam Daniela Pietsch danach trotzdem nicht. Und jetzt sei es für eine Ausbildung vermutlich zu spät: „Wer nimmt einen schon mit 42?“ Auch einen festen Job zu finden, werde nicht leichter – zumal sie Knieprobleme habe und nicht den ganzen Tag über stehen könne.

Falls es nicht doch noch klappt mit einem neuen Job, wünscht sie sich daher, dass sie ihre nächsten Maßnahme wieder bei der Tafel absolvieren kann. Deren Fortbestehen für sie „unglaublich wichtig ist, sie sichert ja meine Existenz mit“.

>>>VOR 25 JAHREN ERÖFFNETE IN DEUTSCHLAND DIE ERSTE TAFEL

Am 22. Februar 1993, heute vor 25 Jahren, eröffnete in Berlin die erste deutsche Tafel, die überzählige und überproduzierte, aber noch verwertbare Lebensmittel heimischer Sponsoren an Bedürftige abgibt.

  • Nach dieser Idee sind bis heute deutschlandweit mehr als 900 Tafeln entstanden. Darunter auch die Hattinger Tafel, die zurzeit rund 400 Haushalte erreicht .