Hattingen. . Märchen begeistern auch Erwachsene. In Hattinger Altenheimen lauschen Senioren gerne Erzählungen. Die Geschichten sollen nicht nur amüsieren.
- Bis zum 24. Dezember erzählen Hattinger in 21 Folgen ihre ganz perösnlichen Adventsgeschichten
- Altenpflegerin Mechthild Pietsch nutzt jede Gelegenheit, um Senioren mit Märchen etwas Gutes zu tun
- Sie möchte die Menschen mit den Geschichten nicht nur amüsieren, sondern zum Nachdenken anregen
„Ich lese keine Märchen, ich erzähle sie“, betont Mechthild Pietsch. Die Geschichten hat die 59-Jährige im Kopf. Auswendig gelernt – allerdings nicht Wort für Wort. Denn sie bringt immer einen eigenen Dreh mit hinein. Seit sechs Jahren schlüpft sie für Jung und Alt in die Rolle der Märchenerzählerin. Gerade jetzt in der Adventszeit versucht Pietsch die Zuhörer mit den Geschichten nicht nur zum Lächeln zu bringen, sondern sie zum Nachdenken anzuregen.
Im Treppenaufgang der Hauses werden Besucher von einer strahlenden Lichterkette begrüßt, die sich um das Geländer schlängelt. Im Wohnzimmer steht bereits der Adventskranz auf dem Tisch. Mechthild Pietsch ist in Vorweihnachtslaune. „Die Adventszeit nutze ich, um zur Ruhe zu kommen, Freunde und Familie zu treffen und dem Trubel zu entkommen“, erklärt sie. Ihr Arbeitsalltag als Altenpflegerin ist stressig. Doch der tägliche Kontakt mit den Senioren brachte Pietsch auch auf die Idee mit den Märchen. „Ich wollte den Menschen Zeit schenken und ihnen etwas Gutes tun.“
Ein Keller voller Bücher
Sechs Jahre ist das her und seitdem wächst die Zuhörerschaft im Altenheim St. Josef stetig. Am Anfang würden viele Ältere beim Thema Märchen jedoch nur die Augen verdrehen. „Sie finden es erstmal kindisch.“ Doch die Geschichten, die die gebürtige Bochumerin aussucht, sind alles andere als kindisch. Sie sind zwar oft mit einer großen Prise Humor, aber auch mit einer Botschaft versehen. „Ich möchte zum Nachdenken anregen. In der Adventszeit wird es außerdem besinnlich.“ Das Konzept geht auf: Wer einmal gelauscht habe, käme immer wieder.
Langweilig wird es nie. Im Keller der 59-Jährigen ständen so viele Bücher, sie könne glatt eine Bibliothek eröffnen. Aus dem großen Fundus pickt sie sich oft die heraus, in denen unbekannte Geschichten stehen. Außerdem schlüpft Pietsch beim Erzählen in verschiedene Gewänder. Neben dem mittelalterlichen, nachtblauen Kleid mit Trompetenärmeln, hängt auch Orientalisches mit Perlen und Stickereien im Schrank. „Im Pflegeheim laufe ich nur in Weiß herum. Die Gewänder verleihen der Märchenzeit eine andere Atmosphäre.“
Märchen sollen die Fantasie anregen
Die Märchenzeit findet im Seniorenheim einmal im Monat statt. Im Advent schlüpft sie gleich vier mal in die Rolle der Erzählerin. „Ich versuche das aber in meine täglichen Arbeit als Altenpflegerin einzubinden. Und wenn es nur sieben Minuten sind. Geschichten kann man immer erzählen.“ Und das nicht nur im Seniorenheim. Pietsch besucht auch Schulen und Kindertagesstätten.
Zu Hause geht es am Heiligen Abend nicht ohne Märchen. Dann, wenn die Familie zusammen kommt, fragen alle oft schon danach. Mit ihrer ruhigen Stimme, den Gesten und der passenden Mimik lässt sie die Figuren zum Leben erwachen. „Und genau darum geht es. Bei den Menschen sollen Bilder im Kopf entstehen. Sie müssen sich das vorstellen können, dann habe ich ein Märchen gut erzählt.“