Bochum/Hattingen. Einst gehörte die Brücke der Familie Eggemann. Bei Luise Eggemann in Dumberg liegen noch spannende Dokumente aus dieser Zeit.

  • Die schwimmende Brücke hatte im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Namen
  • Es gab in der Preisliste für die Brückenüberquerung sogar einen Tarif für Schlitten
  • Der Familie Eggeman wurde mit dem Neubau die Brückengenehmigung entzogen

Heute wird sie Schwimm- oder Pontonbrückegenannt – und verbindet Bochum mit Hattingen. Erbaut wurde sie einst als „Schiffbrücke“, das belegen Dokumente, die Luise Eggemann aus Niederwenigern noch bei sich daheim aufbewahrt – denn der Familie ihres Mannes gehörte die Brücke einst, der der Kultur-Förderkreis Niederwenigern eben erst eine historische Tafel gewidmet hat.

Spannend ist es, die Unterlagen zu sichten – vom gezeichneten Plan des Ingenieurs Otto Ellinghaus von 1897 über die statischen Berechnungen dazu in Sütterlinschrift bis hin zum Schreiben, das der Familie die Brückengenehmigung entzieht. Wer das tat? Der Regierungspräsident in Arnsberg – und zwar zum 31. Dezember 1958, weil „eine neue Brücke gebaut wurde. Die Familie hätte auch kein Geld gehabt, selbst eine neue Brücke zu bauen“, berichtet Luise Eggemann.

Letztes Foto vom Papa

Die Brücke übrigens, sie kostete ihren Eigentümer einst das Leben, davon zeugt auch noch ein Totenbrief. „Ernst Eggemann aus Dumberg wollte bei einem Hochwasser 1909 die Brücke sichern – und ist dabei ertrunken“, weiß Luise Eggemann. Wirt und Landwirt war er außerdem noch – und starb im Alter von 54-einhalb Jahren. Luise Eggemann zeigt ein Foto vom damaligen Hochwasser. Auf der Rückseite steht: „Letztes Foto vom Papa“. „Das hat seine Mutter damals für ihre Enkel dort aufgeschrieben“, sagt Luise Eggemann. Kurz vor seinem Tod entstand es. „Er hat sein Leben für die Brücke gelassen.“

Beim Hochwasser von 1909, das Ernst Eggemann noch selbst fotografiert hatte, starb er bei Brückenarbeiten.
Beim Hochwasser von 1909, das Ernst Eggemann noch selbst fotografiert hatte, starb er bei Brückenarbeiten. © Fischer

Genehmigungen finden sich im Ordner von Luise Eggemann reichlich – von 1933 stammt die Auflistung, was die Familie an Brückengeld nehmen durfte. „Damals hieß die Brücke dann auch noch Ruhrbrücke in Dumberg“, sagt die 87-Jährige. So nennt sie heute niemand mehr. Sie hatte vor dem jetzigen eben so einige Namen. Sogar einen eigenen Tarif für Schlitten gab es damals.

Der Totenbrief des bei Brückenarbeiten ertrunkenen Brückenbesitzers Ernst Eggemann.
Der Totenbrief des bei Brückenarbeiten ertrunkenen Brückenbesitzers Ernst Eggemann. © Fischer

Monatskarte für 50 Reichspfennig

„Ein Herr Jansen und ein Mann aus dem Rosenthal saßen damals im Kassenhäuschen. Manche warteten bis abends, bis das Kassenhäuschen nicht besetzt war, um dann über die Brücke zu gehen, so das Geld zu sparen. Eine Monatskarte kostete 50 Reichspfennig für Schüler unter 14. Für ältere Schüler eine Reichsmark. Das habe ich bezahlt“, erinnert sich Luise Eggemann, gebürtige Wolff. Ihr Geburtshaus ist die „Gaststätte, in der heute das Esszimmer ist. Das war unsere Wirtschaft.“

Im Mai 1943 wurde die Brücke bei der Möhnekatastrophe erstmals extremst beschädigt. Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie dann auch noch von deutschen Soldaten gesprengt. Nur notdürftig war sie danach wieder aufgebaut worden. „Nur kurz durften Autos sie befahren, danach war das eine reine Fußgängerbrücke.“

Polizeiliche Genehmigung für Fährbetrieb

Den Lageplan der alten Brücke von Ingenieur Otto Ellinghaus.
Den Lageplan der alten Brücke von Ingenieur Otto Ellinghaus. © Fischer

Von 1945 stammt eine polizeiliche Genehmigung, dass während der Instandsetzungsarbeiten an der Schiffbrücke eine Nachenfähre Menschen übersetzen darf. Der Tarif: 0,10 Reichsmark für einen Erwachsenen. Von 1949 stammen Zeichnungen des zu erneuernden Brückenhäuschens, der Name darauf: „Frau Ernst Eggemann“. „Ja, so war das damals“, lacht Luise Eggemann. Denn: Ernst Eggemann junior, der Vater ihres vor 23 Jahren verstorbenen Mannes, war 1938 mit 41 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben, danach habe sich die Schwiegermutter um die Landwirtschaft, die Brücke und auch eine Wirtschaft in Niederwenigern gekümmert – „und das mit fünf kleinen Kindern, darunter mein Mann“, sagt Luise Eggemann, die selbst Mutter von drei Kindern, Großmutter von sechs Enkeln und schon einfache Uroma ist. „Mein Mann kam dann nach der Heirat nach Dumberg, hatte auch die Poststelle in unserer Gastwirtschaft.“

Die alte (l.) und neue Brücke, die Dahlhausen und Hattingen verbanden, existierten kurze Zeit parallel.
Die alte (l.) und neue Brücke, die Dahlhausen und Hattingen verbanden, existierten kurze Zeit parallel. © Fischer

Im Hausflur von Luise Eggemann hängt noch ein Bild, das der aus Niederwenigern stammende Maler Heinz Carls von der alten Brücke gefertigt hat. „Das hat er nach einem Foto gemacht“, so Luise Eggemann.

Neue Buslinie kam mit Einweihung der neuen Brücke

Mit der Einweihung der neuen Brücke 1959 übrigens, finanziert vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Ennepe-Ruhr-Kreis und der Stadt Bochum, ging auch die Buslinie von Bochum-Linden-Dahlhausen nach Burgaltendorf in Betrieb.

Bestand die alte Brücke noch aus Bohlen, so war die neue aus Stahl. „Für die Familie war die Brücke immer eine wichtige Einnahmequelle gewesen“, erzählt Luise Eggemann – und zeigt das letzte Zeugnis der Brückengeschichte, das sich in Familienhand befindet: ein Schreiben an die Familienausgleichskasse für die Binnenschifffahrt in Duisburg über das Erlöschen des Beitragspflicht.