Hattingen./Sprockhövel. Als Fans sind Michael und Holger Leister Rivalen – ansonsten im Leben aber unzertrennlich. Die Spende war für Michael Leister keine Frage.

  • Nach einem Motorradunfall 2005 begann die Leidensgeschichte von Holger Leister
  • Anfangs stieß sein Körper das Organ des jüngeren Bruders ab – Ärzte halfen
  • Heute kann das Duo mit Humor auf den Eingriff im Juli zurückblicken

Sobald sie auf dem Spielfeld auf­ein­ander treffen, schenken sie sich nichts. Wer gewinnt? Schalke oder Dortmund? Was bei einem Revierderby regelmäßig zur Glaubensfrage wird, ist für Michael und Holger Leister aus Sprockhövel nicht vom Bedeutung, sobald es um das mit Abstand Wichtigste im Leben geht: Gesundheit.

Michael Leister, seit Kindertagen Fan des S04, hat seinem Bruder Holger, seit Ewigkeiten Fan des BVB und mittlerweile Hattinger in Bredenscheid, Ende Juli eine Niere gespendet. Am Anfang mit Hindernissen, schließlich mit Erfolg. Beide gehen nach dieser Partie als Gewinner vom Feld.

Humor: „Körper muss sich an Schalker Teil gewöhnen“

„War ja klar, dass sich mein Körper erst einmal an einen Schalker Teil in mir gewöhnen musste“, sagt Holger Leister mit dem trockenen Humor, der sein Markenzeichen ist. Und er meint damit den Umstand, dass sein Organismus nach der Transplantation am 25. Juli erst einmal Antikörper gebildet hat, um die Niere seines Bruders gleich wieder abzustoßen.

„Mein Immunsystem hat geschossen wie bescheuert“, bringt es der 52-Jährige auf den Punkt. Und lächelt noch breiter, bevor er seinen Bruder spontan in den Arm nimmt. „Eine Schalker Niere in einem Dortmunder? Das braucht eben Gewöhnungszeit.“

Mediziner bekamen die Abstoßung in den Griff

Die Mediziner und Pflegekräfte im Knappschafts-Krankenhaus in Bochum-Langendreer haben das Problem in den Griff bekommen – mit Medikamenten und Blutplasma-Wechseln. „Und dafür sind wir alle dankbar.“

Im Krankenhaus in Bochum-Langendreer: Michael Leister (links) mit seinem Bruder Holger nach der Organtransplantation.
Im Krankenhaus in Bochum-Langendreer: Michael Leister (links) mit seinem Bruder Holger nach der Organtransplantation. © Dunja Lomm

Blick zurück: Holger Leister, passionierter Motorradfahrer, hat auf einem Parkplatz im Wodantal im Jahr 2005 einen Unfall. Er rammt mit seinem Bike den Bordstein, stürzt, wird schwer verletzt, 36-mal operiert – und verliert nach einer Entzündung sein rechtes Bein bis hoch zum Oberschenkel.

Starke Schmerzmittel schädigten die Nieren

In dieser Zeit bekommt Holger Leister starke Schmerzmittel, die sich auf die Nierenfunktion auswirken, das Organ so stark schädigen, dass er Frührentner, schließlich Dialyse-Patient wird. „Anderthalb Jahre lang dreimal in der Woche zur Dialyse. Je für viereinhalb Stunden. Ich war fix und fertig.“

Der einzige Ausweg: eine Organspende. „In Deutschland ist es so, dass du mit einer Wartezeit von im Schnitt 10 Jahren schneller eine neue Niere bekommst als eine Dauerkarte für den BVB. Das dauert so um die 12 Jahre.“ Holger Leisters Lächeln wird bei diesen Worten dünner.

Auch das Spenden der Niere birgt Risiken

„Als mein Bruder mir sagte, dass er mir eine Niere spenden will, da war das unglaublich. Aber am Anfang hatte ich echt meine Probleme damit, denn das war ja auch für ihn ein Risiko: Er gibt ein Organ ab, obwohl es nicht sicher ist, dass ich es am Ende auch wirklich vertrage.“

Michael Leister – er ist stilgerecht im Schalke-Trikot zum WAZ-Gespräch in an die Johannessegener Straße gekommen, winkt ab: „Für mich war von Anfang an klar, dass ich das durchziehe. Ohne wenn und aber. Das habe ich dann auch den Ärzten im Krankenhaus gesagt, als sich mich über die möglichen Risiken informiert haben.“

In den Trikots ihrer Vereine zusammen im Klinikzimmer

Gesagt, gespendet: Schalker rettet Dortmunder. Das sorgte dann auch in der Klinik für Aufsehen, zumal sich die ungleich gleichen Zimmernachbarn jeweils in den Trikots ihres Lieblingsvereins zeigten. „So was kannst du nur noch mit Humor nehmen“, so die Brüder.

Bekenntnis zur Tradition: Diesen Knappengruß trägt der Borusse und Hattinger Holger Leister als Tätowierung auf dem Unterarm.
Bekenntnis zur Tradition: Diesen Knappengruß trägt der Borusse und Hattinger Holger Leister als Tätowierung auf dem Unterarm. © Stefan Melneczuk

Holger Leister als beinharter Borusse legt noch einen drauf: „Wenn ein Schalker Teil Deutscher Meister werden will, dann muss man eben transplantieren.“ Wer entscheidet in dieser Saison das Rennen um Platz 1 der Bundesliga-Tabelle? „Bayern München“, antworten die Brüder nach ihrem persönlichen Transfer-Krimi unisono.