Ruhrgebiet. Die Situation ist dramatisch: Noch nie wurden so wenige Organe gespendet. Und: NRW liegt dabei auf dem letzten Platz. Es gibt Gründe dafür.
In keinem Bundesland werden weniger Organe gespendet als in Nordrhein-Westfalen. Nach aktuellen Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in NRW wurden in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 91 Organspender registriert. Auf eine Million NRW-Bürger kommen rechnerisch 8,7 Spender. Auch im Bundesdurchschnitt ist dieser Wert stetig gesunken, inzwischen auf 9,8.
Dr. Ulrike Wirges, Geschäftsführende Ärztin der DSO in NRW, beschreibt die Lage als dramatisch. „Im Juli hatten wir fünf Spender in ganz NRW. Solch eine niedrige Anzahl habe ich in zwölf Jahren bei der DSO nicht erlebt.“ NRW stehe so schlecht da wie nie zuvor. Die DSO ist die Koordinierungsstelle für eine Organspende nach dem Tod.
Zusätzliche Belastung für Kliniken
Als Grund für die Zahlen sieht Wirges weniger die jüngsten Vorwürfe gegen das Uniklinikum Essen, dem Verstöße gegen Richtlinien zur Transplantation unterstellt werden. Vielmehr müsse man davon ausgehen, dass die Organspende in vielen Kliniken als zusätzliche Belastung empfunden wird. „Für eine Spende brauchen wir bis zu 42 Unterschriften“, beschreibt Wirges die Ausmaße. „Wir befürchten, dass das eh schon stark belastete Krankenhauspersonal den Aufwand einer Organspende scheut und einen potenziellen Spender erst gar nicht meldet.“
Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW, widerspricht: „Die Bürokratie wird immer mehr, aber deshalb scheuen die Kliniken keine Organspende.“ Er sieht viele Gründe: Vertrauensmangel nach den Organspende-Skandalen 2012, Patientenängste, religiöse und ethische Vorbehalte. „Die Aufklärungsarbeit muss verbessert werden.“ Es sei fraglich, ob Erinnerungsbriefe der Krankenkassen reichten.
Massiver Vertrauensverlust
Patientenschützer beklagen einen massiven Vertrauensverlust in das Organspende-System. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mit Sitz in Dortmund fordert, das Transplantationssystem müsse in staatliche Hände. Damit seien Patienten zu schützen und Gerechtigkeit herzustellen.
Bundesweit warten laut DSO 10 000 Menschen auf ein Organ – im ersten Halbjahr 2017 standen dem 412 Spender und 1331 gespendete Organe gegenüber. Mit dem 2012 reformierten Transplantationsgesetz ist die Pflicht für alle Beteiligten zu dokumentieren ausgebaut worden. So soll verhindert werden, dass Ärzte Krankenakten fälschen können, damit Patienten bei Spenden bevorzugt werden.