Hattingen. Aus einer bürokratischen Kammer soll ein effizienter Dienstleister werden. Die IHK wandelt sich. „Das gibt es nirgendwo anders“, heißt es.
- Verstaubte Strukturen und ein Defizit von zwei Millionen Euro lasteten auf der IHK Mittleres Ruhrgebiet
- Jetzt kommt der Befreiungsschlag: Die Kammer ist wirtschaftlich konsolidiert und organisiert sich neu
- Mit einer bundesweit für Kammern einzigartigen Organisation steht sie nun im Blickpunkt des Interesses
Als Vorbild für Fortschritt und Innovation galt sie bislang nicht. „Diese Kammer war extrem durchreguliert und hatte viele Hierarchien“, gesteht Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet. „Verstaubt“ das Image und zudem in finanziellen Nöten, 2014 und 2015 gab es Millionen-Defizite, reißt sie jetzt das Ruder herum. Mit einer neuen Organisationsstruktur, in der es weniger Chefs geben soll und stattdessen die Teamarbeit gefördert wird, will sich das Haus, das in Bochum, Herne, Hattingen und Witten rund 27 000 Mitgliedsunternehmen mit 217 000 Beschäftigten hat, neu aufstellen und sich den Staub aus der starren Struktur klopfen.
Nur noch vier Kompetenzfelder und fünf Kompetenzfeldmanager, darunter der Hauptgeschäftsführer, gibt es seit Mitte März. „Wir haben uns komplett neu aufgestellt“, so Weik. „Es gibt keinen Dienstweg und fast keine Hierarchie mehr. Wir vernetzen uns selbstständig, weil wir glauben, dass das die Antwort ist auf die Frage, wie alles funktioniert. Das gibt es nirgendwo anders. Die Kammerlandschaft guckt mit großem Interesse darauf.“
Jeder bringt Kreativität und Interesse ein
Dass sich mehr als zwei Drittel der 60 Beschäftigten an dem mehrmonatigen Prozess beteiligt haben, in dem alles auf den Prüfstand kam, ist aus Sicht des Hauptgeschäftsführers „großartig“. Jeder trage mehr Mitverantwortung, jeder bringe mehr Kreativität und Interesse ein. Das Hauptziel: „Wir wollen einen Mehrwert für unsere Unternehmen schaffen.“ Die Pflichtaufgaben sollen erledigt und mit viel Kreativität neue Angebote gemacht werden. So sei viel Energie freigesetzt worden, bestätigt Sprecher Jörg A. Linden.
Dafür musste sich die IHK nicht nur neu aufstellen. Sie musste zuvor ihre Finanzen ordnen. Weik: „Eine Kammer, die ständig Minus macht, kann nicht gleichzeitig erzählen, ich habe aber tolle Ideen, wie ihr euer Unternehmen organisieren könntet.“
Kosten deutlich gesenkt
Wegen des Defizits von zwei Million Euro wurden 2016 die Beiträge angehoben. Vor allem dank eines Einmaleffekts bei der Zinsstellung für die Pensionsrückstellungen und geringerer Personalkosten („Wenn in den letzten 15 Monaten ein Chef gegangen ist, haben wir ihn nicht mehr ersetzt“) steht für 2016 statt des erwarteten Minus ein dickes Plus. Die Kosten für Führungskräfte (2016: 760 000 Euro) fallen (2017: 660 000 Euro), der gesamte Personaletat sinkt von 3,610 Millionen (2015) auf 3,388 Millionen Euro (2017).
Unternehmen klopfen an und fragen nach
Aber es gehe um weit mehr als eingesparte Kosten, so Eric Weik. Erstmals würden Unternehmen anklopfen und fragen, ob die IHK ihr Modell vorstellen möchte. „Das hat es noch nicht gegeben“, so der Verwaltungs-Chef.
So sieht es auch IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé: „Das ist das, was Unternehmen von einer Kammer erwarten: die bis zur Vollendung betriebene Kundenorientierung.“ Mitte März hatte die Vollversammlung den 60-jährigen Wittener an die IHK-Spitze gewählt. Im WAZ-Interview äußert er sich erstmals zu seiner neuen Aufgabe.