Hattingen. . Seniorinnen aus dem Emmy-Kruppke-Zentrum in Hattingen berichten, wie sie Wahlen früher in Erinnerung haben. Sie appellieren, zur Wahl zu gehen.

Adelgunde Scholz’ erste Wahl, die war damals, „bei Konrad Adenauer“. Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 gab sie nämlich ihre Stimme ab – im Kreis Recklinghausen. Für Konrad Adenauer. Knapp über 20 Jahre war sie da und dachte: „Das ist der Mann!“ Die 90-Jährige blickt auf Wahlen zurück – so wie Anneliese Krunke (95) und Hannelore Rohde (89).

Die Bewohnerinnen des Emmy-Kruppke-Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt werden auch bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben – per Briefwahl. „Das ist inzwischen für uns einfacher“, sagt Scholz. Bei 18 Bundestagswahlen hat sie ihre Stimme abgegeben, dazu bei Landtags- und Kommunalwahlen. Floristin hatte sie gelernt und sagt: „Ob man richtig gewählt hat, weiß man erst hinterher.“

TV-Duell Kraft-Laschet verfolgt

Die Möglichkeiten, sich heute über Parteien zu informieren, seien zahlreicher, findet Scholz, die das Duell zwischen Hannelore Kraft und Armin Laschet im Fernsehen verfolgt hat. „Zu meiner Schulzeit gab es gar keinen Politikunterricht. Heute werden die Kinder und Jugendlichen ganz anders informiert“, meint Hannelore Rohde.

Die gelernte Kinder- und Säuglingsschwester, die lange im Kindergarten arbeitete, wird manchmal von Enkeln und Urenkeln gefragt, was sie wählt: „Aber das sage ich nicht“, erzählt sie verschmitzt. Und äußert sich doch zum Duell Kraft-Laschet, das sie im Fernsehen sah: „Die Landesmutter hat gute Sachen gemacht.“

Böse Erinnerung an Wahlatmosphäre in der Nazi-Zeit

Anneliese Krunke erinnert sich noch daran, dass ihre Eltern bei den Wahlen im Nationalsozialismus kein gutes Gefühl hatten. In der Familie habe man sich über Politik ausgetauscht. „Aber das musste in der Familie bleiben, nichts durfte nach außen kommen.“ Zu groß sei die Gefahr gewesen, sagt die gebürtige Schlesierin, die ihre erste Wahl in der „Gartenstadt Brieg“ erlebte.

Sie berichtet von ihrem Chef damals, als sie gerade ihre Lehre beendet hatte in dem Friseurbetrieb: „Es gab ein Lied, da hieß es, heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt. Da hat mein Chef gesagt, dass uns gar nichts gehören wird. Und das hat jemand verraten. Dann haben sie ihn abgeholt. Er hat sich aufgehängt.“

Wählengehen war in der Nachkriegszeit ein Ereignis

An Angst während des Krieges erinnert sich auch Scholz. „Wir bekamen in die Schule eine Kiste mit Gasmasken. Einige Jungs haben ,Maulkörbe für Wasserköppe’ draufgeschrieben. Es kam nie raus, wer es war. Zum Glück.“

Die Wahlbeteiligung sei früher immer besser gewesen, erinnert sich Krunke. „Aber heute gibt es auch mehr Parteien. Da ist es schon schwierig, die richtige zu treffen.“ In der Nachkriegszeit war das Wählengehen „ein Ereignis“. Sie sei immer mit der ganzen Familie an die Urne gegangen.

Vater versuchte Jungwählerin zu beeinflussen

Hannelore Rohde berichtet, wie Vater und Opa versuchten, sie als Wählerin zu beeinflussen. „Mein Opa sagte, dass wir Weiber verkehrt wählen, mein Vater: Du weißt ja wohl, was Du wählst“, erinnert sie sich lachend. Die gebürtige Bochumerin gab bei ihrer ersten Wahl ihre Stimme im Paul-Gerhardt-Haus ab – bei einer Kommunalwahl in den 1940er Jahren.

„Wählen ist wichtig. Wer nicht wählen geht, sollte danach nicht schimpfen“, sagt Krunke. Die Seniorinnen finden es wichtig, für ihre Meinung einzutreten: Das Trio engagiert sich im Heimbeirat.