Brutale Veränderungen in Natur und Landwirtschaft machen Schmetterlingen zu schaffen. Sie könnten bald aussterben.
Noch flattern sie über den Wiesen, noch sehen Spaziergänger sie auf Blüten verweilen: Schmetterlinge wie Admiral und Distelfalter, Großer und Kleiner Kohlweißling, Tagpfauenauge oder Landkärtchen schwirren in Hattingen herum, zählt Michael Treimer auf. Aber: „Es ist zu befürchten, dass es mit ihnen den Berg runtergeht”, sagt der 65-Jährige, der unter anderem zur NRW-Arbeitsgemeinschaft Insektenforscher gehört und regelmäßig in der Efringhauser Schweiz und auch in den Ruhrauen unterwegs ist.
Die EU-Kommission meldet ebenfalls: Die Schmetterlinge könnten in den nächsten Jahren aussterben. Schuld sind die Turbotechniken in der Landwirtschaft. Die Bauern mähen öfter, benutzen Kunstdünger und Spritzmittel, sagt Treimer. Aus Gras machen sie statt Heu Silage, in der die Raupen mitsilieren. Heu müsse einige Tage trocknen, so könnten die Raupen in die Grasstoppeln flüchten und würden nicht mitgepresst.
Wiesen werden in letzter Zeit immer intensiver für Pferdehaltung genutzt. „Dadurch verschwinden naturbelassene Trittsteine für die Falter”, sagt Treimer. Orte, an denen sie rasten und sich vermehren können. Denn: Sie sind furchtbar schlechte Flieger, schaffen höchstens einen Kilometer, sagt der Experte. An die brutalen Veränderungen in der Natur können sich die Schmetterlinge nicht schnell umgewöhnen. So wie den Mährhythmus der Bauern. „Das würde 100 Jaher dauern”, sagt Treimer. Also sterben sie aus.
In diesem Sommer fliegen noch Kleiner Fuchs, C-Falter, Zitronenfalter und Sommerfalter herum. Seltener zu sehen: der Große Schillerfalter. Der braucht feuchte, kühle Bachtäler. Seit 50 Jahren ist auch der Mauerfalter weg. Das Blutströpfchen lässt sich immer seltener blicken. „In den vergangenen zwei Jahren kam es wieder, in diesem ist es wieder weg”, sagt Treimer. Das Positive: „Was weg ist, kann wiederkommen.” So war der Schwalbenschwanz seit Ende der 50er Jahre verschunden. In den letzten fünf Jahren ist er wieder zu sehen, wenn auch sehr, sehr selten.
Damit die Schmetterlinge wiederkommen oder erst gar nicht verschwinden, kann der Mensch helfen. „Wir brauchen breitere Streifen Grün an Feldern und Straßenrändern als Migrationshilfe”, sagt Treimer. Außerdem dürfte dort niemand beim Mähen Sauggeräte einsetzen, mit denen er die Raupen wegsaugt.
Und wofür brauchen wir Schmetterlinge? „Sie sind natürlich schön anzusehen”, sagt Treimer. Aber viel wichtiger: Die Falter sind ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. Schlupfwespen legen ihren Nachwuchs beispielsweise zu den Raupen. Für Vögel sind Raupen die Hauptnahrung. Ohne Falter verklingt also auch das Vogelgezwitscher. Wenn Schmetterlinge, die in drei Generationen leben, etwa 600 Eier legen und aus diesen dann vier bis sechs Schmetterlinge herauskommen, sei das ok, sagt Treimer. Der Rest ist Nahrung.
Ein Tipp vom Falter-Fachmann: Zu beobachten sind Schmetterlinge am besten in der Zeit zwischen elf und 16 Uhr, bei Windstille und wenigen Wolken.
Futter für die Falter
Helfen können Gärtner Schmetterlingen zum Beispiel mit dem Silberblatt als Staude. „Die Raupen des Aurora-Falters ernähren sich vom Fruchtkörper”, sagt Michael Treimer.
Raupen des Zitronenfalters ernähren sich von Blättern des Faulbaums. „Eine mittelgroße, heimische Strauchpflanze, die in den Garten passt”, sagt Dirk Janzen, Leiter der Biologischen Station. Am Schmetterlings-Flieder gibt es keine Raupen, aber er dient Faltern als Nahrung. Grundsätzlich gilt: magerer Boden gleich Pflanzen-Vielfalt. Wer also nicht düngt und eine Wildblumewiese anlegt, der bietet den Faltern Futter. Als Boden am besten Sand und Lehm vermischen, rät Janzen.
Auch wichtig: Den Rasen nicht komplett mähen. „Mit dem Mäher Wege reinmachen”, sagt Treimer. Das restliche Gras könnten Gärtner einmal im Jahr mähen. Günstigster Zeitpunkt: Ende Juli, wenn alles ausgeblüht hat. „Jede 50 Quadratmeter, die als Trittstein für Schmetterlinge stehen bleiben, sind wichtig”, betont der Fachmann.
Auch Brennessel-Büsche seien ganz nett, nur findet man dort selten Raupen. Beim Tagpfauenauge kommt hinzu, dass die Brennessel im feuchten Wiesental wachsen muss, damit er sich niederlässt. Eier legt auf Brennesseln eher das Landkärtchen. Dann schlüpfen knallgrüne Raupen.