Bochum/Düsseldorf. Sie haben Schmetterlinge im Buch. 130 ehrenamtliche Helfer zählen in Nordrhein-Westfalen für den Naturschutzbund Deutschland Falter. Rund 100 Arten sind tagsüber aktiv - mit klingenden Namen wie Kaisermantel oder Schwalbenschwanz. Allerdings stehen 70 Prozent auf der Roten Liste.

Garten Kunterbunt in Bochum-Gerthe. Blütenduft und kniehohe wilde Wiese, mit Schafgarbe und Blutweiderich. Ein Apfelbäumchen, Efeu, Herbstaster und Schmetterlingsflieder – kurzum ein grünes Paradies. Das gehört Wulf Jaedicke. „Sehen Sie sich das an, ein grünadriger Kohlweißling”, ruft der Mann und zeigt auf ein zartes Geschöpf, das es sich auf seinen Wandelröschen gemütlich gemacht hat. Was dem 68-Jährigen ein jungenhaftes Strahlen aufs Gesicht zaubert. Denn Schmetterlinge haben es dem Medizinprofessor und seiner Frau Katharina angetan. Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) gehen Jaedickes seit sie in Rente sind deshalb regelmäßig Falter zählen. Ehrenamtlich, versteht sich.

70 Prozent stehen auf der Roten Liste

Wo und wie viele ihrer Lieblinge in Nordrhein-Westfalen durch die Lüfte schweben, interessiert die Umweltschutzorganisation schon seit 2001. Denn nicht nur im Land, sondern deutschlandweit sind die Frühlings- und Sommerboten auf dem Rückzug. Rund 100 Tagfalterarten, also Schmetterlinge, die tagsüber aktiv sind, gibt es in NRW. Traurig: 70 Prozent von ihnen stehen auf der Roten Liste – Tiere mit klingenden Namen wie Kaisermantel oder Schwalbenschwanz. Die meisten Schmetterlingsarten im Land kann man noch in der Kalkeifel bestaunen, weil es dort eine große Vielfalt an blütenreichen Pflanzenarten gibt – eine Nektarquelle für die Tierchen.

Wulf und Katharina Jaedicke gehen im Volkspark Hiltrop in Bochum von April bis Oktober auf Falter-Suche. Einmal wöchentlich spaziert das Ärztehepaar eine ein Kilometer lange Parkstrecke ab. In der Regel zwischen 10 und 17 Uhr, wenn Tagfalter fliegen. Für den Naturschutzbund Deutschland notieren die beiden – wie noch 128 andere ehrenamtliche Naturfreunde in NRW – welche Schmetterlinge sie bei welcher Witterung gesichtet haben, ob es windig oder bewölkt war. Bekanntschaft haben die Jaedickes auf diese Weise nicht nur mit gängigen Exemplaren wie Kohlweißling und Zitronenfalter, sondern auch mit dem Waldbrettspiel, dem Faulbaumbläuling und dem Dickkop gemacht.

"Schmetterlinge sind Messinstrumente"

2009 sei ein relativ gutes Schmetterlings-Jahr, sind sich die Bochumer einig. Wenn auch die generelle Ausbeute auf ihrer Zählstrecke – im jährlichen Schnitt elf Schmetterlingsarten – eher mau sei. Wissen Jaedickes auf ihrer Falter-Tour nicht gleich, was sie da vor sich haben, wird das Tier mit einem Käscher gefangen, um es näher zu betrachten. Unter Umständen kommt es auch kurz in eine Dose, wird fotografiert, um dann mit schlauen Bücher daheim seinem Namen auf die Schliche kommen zu können.

„Schmetterlinge sind Messinstrumente für den Zustand unserer Landschaft”, erklärt Wulf Jaedicke Leuten, die sein Hobby zum Schmunzeln finden. Was ist des Falters Feind? „Vor allem unsere hoch mit Stickstoff belasteten Böden, im wesentlich verursacht durch die Überdüngung in der Landwirtschaft.” Dazu gebe es keine richtigen Wiesen mehr, welche mit vielen wilden Kräutern und Blumen. „Die haben die Bauern für die Viehfütterung in Grasäcker umgewandelt.”

Aufgeräumte Gärten

Auch Stadtparks mit einem englischen Rasen und ebenso „aufgeräumte” Privatgärten hätten Schmetterlingen nichts zu bieten. „Ihre Raupen brauchen Futterpflanzen, die Schmetterlinge futtern Blütennektar. Und das finden sie da nicht.”

Was den Doktor dazu veranlasst, seine Wiese daheim bis in den September hinein nicht zu mähen. „Darüber sind die Nachbarn nicht glücklich”, gibt der vierfache Vater zu. „Sie halten ihren Rasen halt zwei Zentimeter kurz und runzeln über unseren die Stirn.” Das ficht den den Falter-Freund nicht an. Denn Schmetterlinge seien nicht nur gut für die Seele, sondern auch ein wichtiger Teil des Ökosystems. Weil in der Natur eben alles zusammenhänge. „Schmetterlingsraupen sind Nahrung für viele Vögel, vor allem für ihre Jungen.” Keine Raupen, keine Schmetterlinge, keine Vögel – lautet Wulf Jaedickes traurige Botschaft.

Saison bis November

Wer die zarten Geschöpfe liebe und einen Garten oder Balkon besitze, könne ihnen viel Gutes tun, betont der Professor. Man müsse den Tieren halt Nahrung anbieten: zum Beispiel einen Schmetterlingsbaum, Wandelröschen, roten Klee, Oregano, Herbstastern oder Schlehe. Blühendes Efeu sei für Falter im Herbst eine tolle Nektarpflanze, „sogar noch in Novembertagen”.