Gladbeck. . Mit einem missglückten Banküberfall im Ruhrgebiet hat an diesem Freitag vor 25 Jahren das Gladbecker Geiseldrama begonnen. Die spektakuläre Flucht zweier Gangster vor der Polizei hielt im August 1988 drei Tage lang das ganze Land in Atem. Eine Chronik zum Jahrestag.

Auch 25 Jahre nach dem Beginn des Gladbecker Geiseldramas sind die Erinnerungen von Zeitzeugen lebendig. "Es ist allgegenwärtig", sagte der ehemalige Polizist Winrich Granitzka am Freitag im Sender WDR 5. Als Vize-Chef des Kölner Einsatzstabs war er bei dem blutigen Ende der Geiselnahme dabei, die am 16. August 1988 mit einem missglückten Banküberfall im Ruhrgebiet begonnen hatte. Die spektakuläre Flucht zweier Gangster vor der Polizei hielt im August 1988 drei Tage lang das Land in Atem.

Die Geschehnisse hätten die Verantwortlichen bei der Polizei lange beschäftigt und eine Neuorganisation von Spezialeinheiten im Falle von Geiselnahmen zur Folge gehabt, sagte Granitzka dem WDR. Er empfinde den Polizeieinsatz, der die Geiselnahme beendete, als Niederlage, auch wenn sie damals keine andere Chance gehabt hätten: "Wir hätten diesen Schuss auf Silke Bischoff durch den Täter, der ja neben ihr saß, definitiv nicht verhindern können." Die 18-Jährige wurde tödlich getroffen.

Tragischer Tag in der Gladbecker Stadtgeschichte

Der 16. August vor 25 Jahren, ein tragischer Tag in der Gladbecker Stadtgeschichte. Ein Tag, der die Wahrnehmung Gladbecks in der deutschen Öffentlichkeit bis zum heutigen Tag mitprägt. An jenem August-Tag begann das dreitägige Gladbecker Geiseldrama, das allerdings lediglich einen Tag lang Gladbeck als Schauplatz hatte.

Die Gladbecker WAZ-Lokalausgaben von 17. August und den folgenden Tagen spiegeln das dramatische Geschehen eindrucksvoll - gegen acht Uhr früh fuhren die beiden Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski auf einem gestohlenen Motorrad zur Zweigstelle der Deutschen Bank in Rentfort-Nord, bewaffnet und zum Bankraub fest entschlossen. „Ein Passant beobachtet das und alarmiert die Polizei“, berichtet die WAZ am 17. August. Der gesamte Bereich um das Einkaufszentrum an der Schwechater Straße 38 wird abgeriegelt - das Geiseldrama nimmt seinen Lauf.

Journalisten werden zum Überbringer der Forderungen

Dieter Degowski bedroht die Geisel Silke Bischoff mit einer Waffe.
Dieter Degowski bedroht die Geisel Silke Bischoff mit einer Waffe.

Um 9.45 Uhr lassen die zunächst maskierten Geiselnehmer Deutsche-Bank-Kassierer Reinhold Alles in der WAZ-Lokalredaktion anrufen, auch die Bankangestellte Andrea Blecker befindet sich in ihrer Gewalt. Eine dritter Bankbeschäftigter, Christian Hopp, bleibt verschont, weil er sich zufällig ein wenig verspätet hat. Er besitzt den zweiten Tresorschlüssel.

Ein Nervenkrieg beginnt; ein Nervenkrieg, der den gesamten Tag andauert. In jenen Stunden reisen Journalisten aus ganz NRW, ja aus ganz Deutschland zum Tatort. Auch die mediale Katastrophe nimmt ab mittags ihren Lauf. Die Geiselnehmer teilen ihre Forderungen ausschließlich über die Presse mit; und die Reporter werden immer mehr zu Mitgestaltern des Geschehens vor Ort.

Mit 300.000 Mark Beute beginnt die Flucht 

300.000 D-Mark als Lösegeld werden beschafft; gegen 18 Uhr legt ein nur mit einer Badehose bekleideter Polizist das Geld vor dem Kassenraum der Bankfiliale ab; Kassierer Reinhold Alles holt, mit einer Schlinge um den Hals, die 300.000 D-Mark in die Bank. Auch der Fluchtwagen, ein Audi 100, steht zu diesem Zeitpunkt schon bereit.

Dann folgen jene Bilder, die sich in das kollektive Gladbecker Gedächtnis eingebrannt haben: Die Verbrecher verlassen mit ihren Geiseln im Fluchtwagen Rentfort-Nord. Es ist 21.45 Uhr am Abend des 16. August - die Fahrt geht Richtung Stadtmitte und an der Horster Straße machen die Geiselnehmer gleich mehrfach Station - an der dortigen Esso-Tankstelle verlangt einer der beiden Täter Cola, Bier und Zigaretten. „Gleich vier Mal lässt er sich dort sehen“, berichtet die WAZ. Die Grillstation von Elena Rupeli liegt nur wenige hundert Meter von der Tankstelle entfernt.

Von Gladbeck nach Bremen, Holland und zurück nach Köln

Degowski und Rösner beobachten hier den Imbiss, kommen aber nicht hinein, offenbar weil es ihnen zu voll ist. Dann steuern sie den „Mostar“-Grill an, nur ein paar Straßenecken weiter. „Inhaber Mirzet Krajina ist wie erstarrt“, schreibt die WAZ. Zehn Frikadellen, ein Kotelett, ein Hähnchen - die bewaffneten Geiselnehmer benötigten dringend Verpflegung. Sie zahlen sogar für die Ware. Mehrmals werden Rösner und Degowski an diesem Abend noch in Gladbeck beobachtet, zuletzt an der Tankstelle an der B 224.

Danach verlassen sie Gladbeck - zwei weitere Tage der Irrfahrt beginnen. Eine Irrfahrt, die nach Hagen und Bremen, die an die A-1-Raststätte Grundbergsee (hier kommen die Gladbecker Geiseln frei), nach Holland und Köln führt - und die am 18. August auf der A 3 mit einem SEK-Einsatz endet. Nach diesen drei Tagen sind drei Menschen tot - zwei Geiseln und ein Polizist, der bei der Verfolgung ums Leben gekommen ist. (mit dpa)