Gladbeck. .
Die Melodie und die Worte steigen empor zum Himmel, wo Vögel ihre Kreise ziehen. Hinauf zu den grünen Wipfeln der alten Bäume an der Teichanlage vor dem Ehrenmal im Wittringen Wald. Aus mehr aus 100 Kehlen schallt im Kanon ein Sanctus. Das Rauschen der Fontäne untermalt Gitarrenklänge und Gesang. Zwischen Wolkenfeldern kurvt brummend ein Segelflieger. Die Sonne lässt das Rot und Orange zwischen dem Schwarz auf den sieben Bannern der Gemeinde-Abordnungen leuchten. Ein vorwitziges Vögelchen setzt zum Tiefflug an und zischt durch die vollbesetzten Bankreihen. Dort haben die Gläubigen Platz genommen, um mit Pastor Clemens Bombeck am Ufer des flaschengrünen Wassers eine Heilige Messe in freier Natur zu feiern.
Christ mit Ausrufezeichen
Einmal im Jahr lädt der Stadtverband Gladbeck der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) zu diesem Open-air-Gottesdienst ein. Vor der Kulisse des imposanten Ehrenmals war am Samstag wieder ein Altar errichtet. Damen mit Hut und in luftigen Kleidern haben sich hier versammelt, Herren in feinem Zwirn mit Weste ebenso wie Besucher in legerem Freizeit-Outfit, die Sonnenbrillen lässig ins Haar geschoben. Wenn auch die älteren Semester überwiegen – manche Gläubige sind mit Kind und Kegel nach Wittringen gekommen, den Klappstuhl oder den Spielzeugfrosch als Zeitvertreib für den ungeduldigen Nachwuchs im Gepäck. Aus einigen Handtaschen lugt ein Knirps – den Regenschirm haben die Besitzer vorsorglich nach einem skeptischen Blick auf die Wetterlage eingepackt. Sie werden ihn während des Gottesdienstes nicht benötigen.
Aus Gladbeck und Gelsenkirchen, Buer und Bottrop, Karnap und anderen Teilen Essens hat es die Gläubigen an die Brillenteiche gezogen. Spaziergänger und Radler schauen neugierig. Ein Grüppchen junger Asiaten stutzt und ist sichtlich überrascht, was sich dort am Teich tut. Ein Hundefreund legt mit seinem „Giftzwerg“ einen Zwischenstopp ein, hört, was Pastor Clemens Bombeck zu sagen hat.
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Das Johannes-Evangelium ist Grundlage der Predigt. „Wir sind Christen – mit Ausrufezeichen“, unterstreicht Bombeck. Das sei ein Anspruch – „und diesen Anspruch zu formulieren in unserer Gesellschaft, ist nicht immer selbstverständlich“. Der Geistliche erinnert an Kaplan Bernhard Poether, der zu seiner christlichen Überzeugung stand und entsprechend handelte. Das musste der Geistliche mit seinem Leben bezahlen: Er starb am 5. August 1942 im Konzentrationslager Dachau. Und Pastor Bombeck ruft Nikolaus Groß in Erinnerung, den Gewerkschafter der KAB, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und NS-Opfer, von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Bombeck: „Wenn wir Christen doch nur die Kraft hätten, Christ zu sein – mit Ausrufezeichen!“
Zu einem haben die Menschen in dieser Runde allemal an diesem Abend Kraft: Sie singen Lieder aus vollem Herzen. Meinrad Rupieper, Bildungsreferent der KAB im Bistum Essen, greift zur Gitarre. Das Nikolaus-Groß-Lied weckt das Interesse zweier Mädchen, die eisschleckend vorbeischlendern. Pastor Bombeck verabschiedet sich schließlich von den Gottesdienst-Besuchern „bis zum nächsten Jahr“. Die sanfte Melodie von „Sayin’ I love you“ schwebt über den Teich und lässt die Messe ausklingen.