Gladbeck. .
Vor genau 20 Jahren kämpften die Gladbecker um den Erhalt des Siemens-Werkes. Einer von ihnen ist Horst Burdeska. Er ist sicher, dass der Gladbecker Standort hätte gerettet werden können.
„Weißt Du noch, damals. . .?“ Diese Frage hört Horst Burdeska (69) in diesen Januar-Tagen öfter. Es liegt an Siemens... Wenn er in der Stadt unterwegs ist, trifft er stets Gladbecker, mit denen er eine gemeinsame, eine äußerst bittere Lebenserfahrung teilt: Vor genau 20 Jahren kämpften sie für den Erhalt des Gladbecker Siemens-Werkes. Ja, es war letztlich ein vergeblicher Kampf. Und ein Kampf, der tiefe Spuren in ihrem Leben hinterlassen hat.
Das einstige Siemens-Areal an der Bottroper Straße in Ellinghorst - direkt gegenüber von Rockwool. Eine Fläche von 192 000 Quadratmetern. Wo heute etwa ein Büromarkt, Autowerkstatt und Fastfood-Restaurant zu finden sind, drehte sich von 1962 bis 1991 alles um Telefone, um Relaissätze und Schaltungen. 980 Menschen arbeiteten zuletzt am Gladbecker Siemens-Standort. Schon in den 80-er Jahren hatte es dort Massen-Entlassungen gegeben. Und immer wieder kochte in den folgenden Jahren die Gerüchteküche, dass in der Münchener Siemens-Zentrale der Schließungs-Beschluss fürs Gladbecker Werk griffbereit in der Schublade liege.
Dabei hatte alles als ein öffentlich gefördertes Leuchtturm-Projekt begonnen - die Siemens-Ansiedlung in Gladbeck galt in den frühen 60-er Jahren als ein Meilenstein auf dem Weg des Ruhrgebiets hin zu einer neuen ökonomischen Zukunft fern von Kohle und Stahl. Ähnlich wie die Opel-Ansiedlung in Bochum wurde hier der Strukturwandel zu einem frühen Zeitpunkt greifbar - in neuen, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen direkt vor der Haustür. Horst Burdeska fing als junger Mann im Oktober 1963 bei Siemens an. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete er dort als Betriebselektriker. Gern erinnert er sich zurück. „Der Zusammenhalt der Belegschaft war einmalig. Die Kollegen haben sich füreinander eingesetzt. Ich habe mich bei Siemens wohl gefühlt.“
„Man hat uns belogen und betrogen“
Auch interessant
Als dann im Januar 1991 der Schließungs-Beschluss tatsächlich auf dem Tisch lag, brach eine Welle des Protestes los, wie sie Gladbeck nur in ganz wenigen Augenblicken der Stadtgeschichte erlebt hat: Protestmärsche vom Firmengelände zum Rathaus, eine per Lautsprecher übertragene Sondersitzung des Stadtrates, eine Protestfahrt zur Siemens-Zentrale, TV-Berichte von der Tagesschau bis zum „heute“-journal.
Die Empörung über die plötzliche Schließung trotz unbestritten guter Auftragslage war riesengroß: „Man hat uns belogen und betrogen“, sagte Betriebsrats-Chef Wolfgang Triller. „Wir sind alle getäuscht worden“, formulierte Bürgermeister Wolfgang Röken (SPD). Von einer „Nacht- und Nebelaktion“ sprach IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Hubert Ulatowski. Auch Horst Burdeska ist sich sicher, dass der Gladbecker Standort vor 20 Jahren hätte gerettet werden können, vor allem, wenn man das angrenzende Wäldchen ins Siemens-Gelände integriert hätte, um dort ein bereits geplantes Hochregal-Lager zu bauen. Doch mit vielen Tricks und Täuschungen sei die Verlagerung der Telefon-Fertigung nach Bocholt erfolgt.
Es wurden teils Abfindungen gezahlt; es wurde ein „kostenloser Bustransfer“ nach Bocholt eingerichtet, um die Gladbecker Beschäftigten zu ihren Ersatzarbeitsplätzen zu bringen. Doch die Verbitterung blieb. Als 1993 das große Stockwerksgebäude und weitere Hallen gesprengt wurden, verfolgten viele traurige Menschen dieses Geschehen.