Gladbeck. Russland hat die Ukraine angegriffen. Der Gastronom vom Restaurant Lezginka in Gladbeck hat einen Cousin, der mit Familie im Bezirk Donezk lebt.

Ukrainer, Russen, Georgier oder Armenier – im Gladbecker Restaurant Lezginka kommt regelmäßig Stammkundschaft zusammen, um Speisen aus der ursprünglichen Heimat der Familie zu genießen und gemeinsam zu feiern. Auch mit dem Volkstanz Lezginka, der im Kaukasus Grenzen überwindet. Jetzt herrscht statt Fröhlichkeit Besorgnis unter den Gästen – über die Kriegslage in der Ukraine. Gastronom Gasan Abasyan hat gerade mit einem Cousin mütterlicherseits in der Ukraine telefoniert. „Die Familie ist verzweifelt, sie haben zur Sicherheit ihre Koffer gepackt, wissen aber nicht, wohin sie fliehen sollen.“

Die Verwandten sind ganz nah dran am Konfliktherd. Sie wohnen im Norden des Bezirks Donezk in der Stadt Kostjantyniwka, nur etwa 20 Kilometer von der Front zum Separatistengebiet entfernt, in das am Dienstag erste russische Truppen einmarschiert sein sollen. „Sie sind in Sorge, dass Putins Streitkräfte nicht an der aktuellen Territorialgrenze der von den russlandorientierten Separatisten selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk Halt machen und weiter vorrücken“, übersetzt Gasan Abasyan (31) beim Telefongespräch der WAZ mit seinem Cousin Suren.

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„Keiner will hier einen Krieg mit Russland“

Die Stadt Kostjantyniwka, in der die Verwandten des Gladbecker Gastronoms leben, liegt nur 20 Kilometer von der Front mit den Separatisten in der Ostukraine entfernt.
Die Stadt Kostjantyniwka, in der die Verwandten des Gladbecker Gastronoms leben, liegt nur 20 Kilometer von der Front mit den Separatisten in der Ostukraine entfernt. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Der 29-jährige Ukrainer erzählt, wie niedergeschlagen er ist. „Keiner will hier einen Krieg mit Russland“, auch gebe es keine Gefahr für Ukrainer mit russischen Wurzeln. Die Gefahr eines akuten Genozids für diesen Bevölkerungsteil, den Putin als Argument für seinen Einmarsch vorbringt, gebe es nicht. „Wir haben doch vorher gut zusammengelebt und wir sind doch alle Ukrainer, haben ein Haus, Familie und Kinder, deren Leben wir nicht gefährden wollen.“ Das würden auch seine Gäste so sehen, sagt Gastronom Gasan Abasyan. „Sie alle sind fassungslos, dass Putin in einem modernen und aufgeklärten Europa bereit ist, den Verhandlungstisch zu verlassen und Krieg zu führen, der Menschenleben und viel Geld kostet und die Situation in der Region nicht entspannt, sondern weiter belastet.“

Infos von russischem Freund und Soldaten

Die Verhandlungsbereitschaft von Putins sei nur vorgeschoben gewesen, da er seine Pläne, russische Territorial-Ansprüche in der Ukraine auszuweiten, wie beabsichtigt vorantreibe, sagt Cousin Suren.

Denn vor zwei Wochen habe er dazu schon klare Informationen von einem Freund auf russischer Seite erhalten, der als Soldat im Bereich Rostow stationiert war.

„Er hat mir im Telefonat gesagt: ,Wir haben Einweisungen erhalten, wie wir vorrücken, du kannst ziemlich sicher davon ausgehen, dass ein Einmarsch erfolgt’“, berichtet der Ukrainer.

Die Unsicherheit ist groß, wie die weiteren russischen Pläne aussehen. Denn sollte die Front vorrücken, befürchtet der junge Familienvater blutige Kämpfe in seiner Heimatstadt. Denn das ukrainische Militär habe auch eine Basis in Kostiantyniwka errichtet. „Bürger sind Dienstag von den Soldaten unterwiesen worden, wie sie sich selbst verteidigen und ihre Familie schützen können.“ Er selbst wolle aber nicht kämpfen, denn seine drei kleinen Kinder (eineinhalb, drei und acht Jahre) brauchten ihn, so dass er mit der Familie im Notfall fliehen werde.

Gladbecker Gastronom ist bereit, den Cousin mit Familie aufzunehmen

Sollte es zum Äußersten kommen, ist Cousin Gasan in Gladbeck bereit, den Verwandten zu helfen. „Natürlich werden wir versuchen, sie zu unterstützen und als Kriegsflüchtlinge auch aufzunehmen.“ Er hoffe aber, „dass es dazu nicht kommen muss“. Das sieht Suren in der Krisenregion genau so. „Mein größter Wunsch ist, dass alles wieder so wird wie früher, vor dem Konflikt um Luhansk und Donezk.“ Dies sei wahrscheinlich unrealistisch. Er habe aber zumindest die Hoffnung, dass die Separatisten mit Russland nicht weiter vorrücken und schnell an den Verhandlungstisch zurückgekehrt werde, „um eine Lösung für Frieden zu finden“.

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