Gladbeck. Frauen verdienen laut Statistik im Kreis Recklinghausen weniger als Männer. Eine Expertin nennt Gründe und was sich an der Situation ändern muss.

Männer haben im vergangenen Jahr im Kreis Recklinghausen, also auch in Gladbeck, durchschnittlich 3249 Euro verdient. Frauen kamen demgegenüber auf ein Brutto-Monatsentgelt von im Schnitt 3035 Euro – erhielten also gut 200 Euro weniger. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor.

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„Tatsächlich“, sagt Stefanie von Scherenberg (Arbeitsagentur Recklinghausen), „sind die Unterschiede beim Einkommen aber sehr viel größer.“ Denn bei den genannten Zahlen gehe es ausschließlich um Vollzeitbeschäftigte, so die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Wer in Teilzeit arbeite, werde in dieser Statistik nicht berücksichtigt. Und das seien bundesweit 47 Prozent der Frauen – aber nur neun Prozent der Männer.

Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen ist laut Statistischem Bundesamt zu 71 Prozent strukturbedingt

Der so genannte Gender Pay Gap, also die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen, ist laut Statistischem Bundesamt zu 71 Prozent strukturbedingt. Frauen arbeiten demnach häufiger in Branchen und Berufen, in denen schlechter bezahlt wird und sie seltener Führungspositionen erreichen. Zudem seien Männer seltener in Teilzeit und Minijobs. Die verbleibenden 29 Prozent des Verdienstunterschieds entsprächen dem so genannten „bereinigten“ Gender Pay Gap. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation sechs Prozent pro Stunde weniger als Männer. Das besagten die aktuellsten verfügbaren Zahlen aus 2018.

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Stefanie von Scherenberg geht davon aus, dass sich diese Erkenntnisse sehr gut auf den Arbeitsmarkt im Kreis übertragen lassen – und das wahrscheinlich sogar in verschärfter Form: „Denn im Vergleich zu anderen Regionen haben wir hier eine relativ geringe Frauenbeschäftigungsquote, gerade auch was die Vollzeitstellen betrifft.“

Die Corona-Pandemie könnte die Unterschiede noch vergrößern

Die Expertin befürchtet, dass die Corona-Pandemie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern eher noch vergrößert hat. „Es ist ein Teufelskreis“, sagt von Scherenberg. „Wenn der Mann der Hauptverdiener ist und die Frau in Teilzeit arbeitet, ist doch klar, wer zurücksteckt und die Kinder beim Homeschooling betreut.“ Statistisch lasse sich diese mögliche Corona-Folge allerdings noch nicht darstellen.

Von Scherenberg sieht die Arbeitgeber in der Pflicht: „Es gibt die Männer, die sich gerne mehr um die Familie kümmern würden, und die Frauen, die gerne mehr arbeiten würden.“ Die bräuchten aber andere Rahmenbedingungen: flexiblere Beschäftigungsmodelle, die Möglichkeit für Homeoffice, Betriebskindergärten. „Auch die Arbeitgeber würden ja von einer Flexibilisierung profitieren. Sie könnten so Fachkräfte gewinnen und halten, die sonst nicht zur Verfügung stünden.“

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