Gladbeck/ Kreis Recklinghausen. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Gewerkschaft kritisiert Arbeitgeber.
Ein großer Teil der 89.300 Menschen, die im Kreis Recklinghausen nur einen Teilzeit- oder Minijob haben, ist nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) von Erwerbsarmut bedroht. „Insbesondere Frauen, die halbtags oder nur einzelne Tage in der Woche arbeiten, fehlt am Monatsende das nötige Geld. Für viele Familien im Kreis ist ein Kinobesuch oder ein neuer Schulranzen längst zum Luxus geworden“, sagt Adnan Kandemir von der NGG Ruhrgebiet mit Blick auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts.
Auch interessant
Danach ist jeder sechste Haushalt (17,6 Prozent) im Regierungsbezirk Münster armutsgefährdet. Im Jahr 2005 waren es noch 13,9 Prozent. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Gewerkschafter Kandemir kritisiert, dass Arbeitgeber daran eine Mitverantwortung tragen: „Wer sich um Tarifverträge drückt und auf prekäre Jobs statt Vollzeitstellen setzt, der sorgt für magere Lohnzettel“.
Teilzeitkraft in einer Bäckerei verdient nur 1.000 Euro brutto im Monat
So kommt eine Teilzeitkraft, die 25 Wochenstunden in einer Bäckerei oder Fleischerei arbeitet, die nicht nach Tarif zahlt, auf einen Verdienst von rund 1.000 Euro brutto im Monat. Die Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern liegt nach amtlicher Definition hingegen bei aktuell 2.174 Euro pro Monat – netto. „Längst nicht nur Alleinerziehende, sondern zunehmend auch Doppelverdiener haben Schwierigkeiten, über diese Grenze zu kommen. Die Leidtragenden sind oft die Kinder“, so Kandemir.
Auch interessant
Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands stehen den ärmsten zehn Prozent der Paarhaushalte lediglich 44 Euro monatlich pro Kind für Freizeit, Sport und Kultur zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Familie sind es 123 Euro. Die NGG Ruhrgebiet ruft Betriebe in der Region dazu auf, sich zu tariflichen Standards und vollwertigen Arbeitsplätzen zu bekennen. Nur so könne Armut „an der Wurzel gepackt“ werden.