Gladbeck. Forscher haben ein Prognose-Modell zur Entwicklung der Corona-Zahlen entwickelt. Die Daten des Kreises Recklinghausen geben Anlass zur Hoffnung.
Aktuell fällt der Inzidenzwert für den Kreis Recklinghausen stetig. Lockerungen könnte es ab Freitag geben, wenn die Inzidenz anhalten unter 100 bleibt. Dass sich die Situation bis zum Sommer deutlich entspannen könnte, glaubt auch Wissenschaftler Dr. Thorsten Lehr. Der Professor und sein Forscherteam von der Universität des Saarlandes haben ein statistisches Modell zur Berechnung des Infektionsverlaufes entwickelt, in das sie auch die Daten des Kreises Recklinghausen eingegeben haben. Dabei kommen die Wissenschaftler auf ein hoffnungsmachendes Ergebnis.
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Denn laut ihren Berechnungen könnten bereits zügig weitreichendere Lockerungen im Kreis Wirklichkeit werden und im Juli die Coronapandemie so gut wie gegen Null gedrückt worden sein. Schon beim ersten Aufkeimen der Pandemie, im Frühjahr 2020, hatten die Saarbrücker Forscher mit der Entwicklung ihrer Simulation begonnen. Ziel war es, den weiteren Verlauf der Infektionen mit Krankenhausbelegung, und Beatmungspatienten vorherzusagen, um den Verantwortlichen wichtige Entscheidungshilfen an die Hand zu gegeben. Ganz nebenbei wollte man auch einer breiten Öffentlichkeit das Pandemie-Verständnis näherbringen.
Computer-Programm simuliert das weitere Corona-Geschehen
Ergebnis der intensiven Entwicklungsarbeit ist der Online-Simulator „CoSim“, der anhand eines mathematischen Modells das Infektionsgeschehen simuliert. Dazu benötigt er allerdings eine Menge aktueller Daten, die wöchentlich eingepflegt werden. Daraus generiert der Simulator anschließend Vorhersagen für Bundesländer, Kreise und Städte. Dennoch gibt es Unwägbarkeiten, wie die vor Ostern noch prognostizierten „Horror-Inzidenzen“ von weit über 300 zeigten. „Ich habe die sehr hohen Zahlen nie für realistisch gehalten, weil oft ein Selbstbremseffekt nicht mit einmodelliert wurde, der eintritt, wenn die Leute hören, was die Stunde geschlagen hat“, erläuterte dazu SPD Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erst kürzlich im Talk bei Maybrit Illner.
Aber genau solche Erfahrungen fließen ständig in den Online-Simulator ein: Aufgrund der aktuell positiven Entwicklung wurde „CoSim“ erst in den letzten Tagen auf ein stark überarbeitetes und verbessertes Modell umgestellt, bei dem Alters- und Geschlechtsstruktur der Infizierten, die Verbreitung bestimmter Mutationen, Testanzahl und Positivrate als Einflussfaktoren berücksichtigt werden.
Die aktuelle Entwicklung im Kreis bestätigt das Rechenmodell
Was aber sagt die Simulation nun in Bezug auf den Kreis Recklinghausen aus? Beinahe ebenso schnell, wie die Inzidenz im Kreis Richtung 200 marschiert ist, sank sie in den vergangenen Tagen wieder ab. Das weckt sicherlich Hoffnungen auf einen ebenso anhaltenden Rückgang unter die „Inzidenz 100“. Laut „CoSim“-soll es am 22. Mai so weit sein, tatsächlich liegt der Kreis schon seit dem Ende letzter Woche unter diesem Wert und bestätigt so vorzeitig das Rechenmodell.
Lockerungen könnten ab Freitag gelten
Damit die Bundesnotbremse nicht mehr greift, muss der Inzidenzwert an fünf Werktagen in Folge unter 100 liegen. Freitag, 14. Mai 2021, ist wegen des Feiertags daher der erste Tag, der für diese Berechnung gilt. Sollte die Sieben-Tages-Inzidenz im Kreis Recklinghausen bis einschließlich Mittwoch unter 100 bleiben, muss das Land per verfügen, dass die Bundesnotbremse nicht mehr für den Kreis Recklinghausen gilt. Der frühestmögliche Termin für gelockerte Regelungen ist also Freitag, 21. Mai 2021.
Bei einer anhaltenden Inzidenz unter 100 fällt die Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr weg. Kontakte sind wieder für bis zu fünf Personen aus zwei Haushalten möglich (plus Kinder bis einschl. 14 Jahren). Alle Geschäfte des Einzelhandels sind auch ohne Terminvereinbarung geöffnet. Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung gehören sind weiterhin nur mit negativem Testergebnis bzw. Impf-/Genesungsnachweis zugänglich. Pro 20 Quadratmeter darf nur ein Kunde eingelassen werden.
Private Veranstaltungen sind weiterhin nicht zulässig. Konzerte unter freiem Himmel mit max. 500 Personen (Sitzplan) und negativem Testergebnis sind möglich. Der Besuch von Museen, Kunstausstellungen, Galerien, Schlössern, Burgen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen ist nach vorheriger Terminbuchung möglich. Kleinere Außeneinrichtungen: Minigolf, Kletterpark, Hochseilgarten dürfen öffnen. Voraussetzung: negatives Testergebnis.
Der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen ist im Außenbereich und mit negativem Testergebnis für Gäste und Bedienung zulässig. Übernachtungsangebote in Ferienwohnungen und auf Campingplätzen mit negativem Testergebnis sind zulässig. Übernachtungsangebote zu privaten Zwecken in Hotels u.ä. Einrichtungen mit bis zu 60 Prozent der Kapazität sind zulässig, Voraussetzung ist auch hier ein negatives Testergebnis bzw. Impf-Genesungsnachweis.
Mit ursächlich für den Rückgang der Zahlen ist nach Angaben der Saarbrücker Forscher ein positiver Einfluss der „Bundesnotbremse“ und auch erste Einflüsse durch die Impfungen wurden festgestellt. Bei aller Euphorie, gibt es dennoch weiterhin Grund zur Sorge: Durch die Lockerungen, so befürchtet das Team von Professor Lehr, käme es im Juni nur noch zu einen gebremsten Abfall, bei dem sich die 7-Tagesinzidenz auf einem Niveau zwischen 50 und 100 einpendeln würde. Das genaue Ausmaß hinge aber letztlich vom Verhalten der Bevölkerung ab.
Die Bevölkerung soll trotz guter Werte weiter Zurückhaltung üben
Weitaus optimistischer ist in dieser Hinsicht ausgerechnet SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der sich in den zurückliegenden Monaten ja nicht gerade als Überbringer optimistischer Prognosen hervortat.: „So wie die Werte exponentiell gestiegen sind, fallen sie auch wieder exponentiell. Dabei spiele, so Lauterbach, auch der Ende Mai erreichte Impffortschritt von 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Das hätten Erfahrungen und Studien aus Israel gezeigt. Daher appelliert er, noch bis Ende Mai Zurückhaltung zu üben.
Zurück zur aktuellen Simulation für den Kreis: Gibt es keine Lockerungen, würde hier eine 7-Tage-Inzidenz von unter 50 schon am 12. Juni erreicht. Gut vier Wochen später, am 11. Juli, wäre der Wert sogar nur noch einstellig und Ende Juli hätten dann die Inzidenzzahlen kaum noch Relevanz. Ein Hoffnungsschimmer, nach über einem Jahr Pandemie.