Gladbeck. In der Krise fallen Vereinskurse ins Wasser. Fachleute sprechen von einem Jahrgang der Nichtschwimmer. Rückstand ist kaum aufzuholen.
Wegen der Corona-Krise fielen beim VfL Gladbeck die Schwimmkurse für Kinder im Jahr 2020 ins Wasser. Carmen Prossek, die das Angebot koordiniert, befürchtet, dass ein ganzer Schuljahrgang untergehen könnte. Sie meint: "Wir mutieren zum Nichtschwimmer-Land." Welche Möglichkeiten sieht die Expertin zum Gegensteuern?
"Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll", sagt Carmen Prossek. Denn die enorme Welle an Rückständen, die sich durch die Kurs-Ausfälle auftürmt, aufzufangen, das ist leichter gesagt als getan. "Ich führe seit 2013 Wartelisten. Sie waren immer lang, und sie werden immer länger", so die Koordinatorin. Und auch der Vereinsvorsitzende Siegbert Busch stellt fest: "Schwimmen ist nachgefragt." Gerne würde Carmen Prossek ganz viele Kurse anbieten. Aber: "Ich mache das ehrenamtlich." Was nützt es, Übungszeiten einzuplanen, aber es fehlen Lehrkräfte? Die 71-Jährige: "Wir brauchen ganz dringend Helfer. Sie müssen keinen Übungsleiterschein haben. Das können zum Beispiel auch engagierte Mütter sein." Der Appell der Expertin: "Unterstützt uns, denn Schwimmen kann lebensrettend sein!"
Gladbeck: Kinder vergessen das im Schwimmkurs Gelernte
Diese Kompetenz sei keineswegs selbstverständlich, schon seit Jahren klaffen da Lücken. Und Corona verschärfe die Situation. Prossek berichtet: "Als der Lockdown im März kam, hatte ich noch zwei Kurse im Hallenbad. Ich habe das Gefühl, dass Kinder, die schon kurz vor dem Seepferdchen-Abzeichen stehen, bei einem Neustart größtenteils wieder bei Null anfangen. Wer keine Möglichkeit hat zu üben, vergisst und verlernt alles." Der Vereinsvorsitzende: "Die DLRG sagt, dass uns eine lange, schwierige Zeit bevorsteht."
Das Freibad in Gladbeck ist keine mögliche Alternative
Schwimmbäder, in denen Anfänger trainieren könnten, sind in der Pandemie-Krise dicht. Siegbert Busch führt an: "Wir haben nur begrenzte Kapazitäten: die Lehrschwimmbecken in der Südparkschule Rosenhügel und Zweckel." Wobei letzteres nur bedingt zu nennen ist: "Es soll ja abgerissen werden." Ein Ausweichen in das Freibad? Nicht möglich, meinen die VfL-Fachleute. Prossek erläutert: "Die Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen und der Publikumsverkehr sprechen dagegen." Außerdem sei die Wassertiefe für Anfänger ungeeignet.
Nicht nur Anfänger, sondern auch junge Talente bleiben auf der Strecke
Knapp zehn Kurse pro Jahr führen beim VfL die Schwimm-Abteilungsleiterin Nicole Möller und Koordinatorin Prossek in Nicht-Corona-Zeiten durch. Seit Anfang 2020 brach das Angebot ein. "Im Januar hatte ich noch 15 Kinder zwischen fünf und neun Jahren, denen wir das Seepferdchen-Abzeichen schicken konnten", erzählt Prossek. Das war's. "Danach hatten wir nur noch sporadische Angebote", ergänzt Busch.
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Da blieben auch bereits erfolgreiche junge Wasserratten - wie Möllers Tochter Tabea - auf der Strecke. Die jungen Talente, die sonst bei Wettbewerben Medaillen einheimsen, stagnieren oder werden laut Prossek zurückgeworfen. Da können auch neue Formate, aus der Not geboren wurden, den Rückfall nicht stoppen. Carmen Prossek: "Wir haben online Trockenübungen. Da können die Kinder beispielsweise Armbewegungen üben. Aber das ist eher ein Fitness-Programm."
Ohne Sportangebote treten Mitglieder aus dem Verein aus
Etliche Mitglieder zogen die Reißleine. Sie traten aus dem VfL aus. Verzeichnete der Verein im Bereich 2020 im Breitensportschwimmen 304 Mitglieder, sind es nach aktuellem Stand 2021 nur noch 213. "Insgesamt haben wir in den zwölf Abteilungen rund 3000 Mitglieder", so Busch. Der Vereinsvorsitzende sagt: "Wir sind sehr dankbar, dass doch Menschen bei uns bleiben, obgleich sie nicht Sport treiben können."