Gladbeck. Verborgen im Stadtwald in Gladbeck liegt ein ökologisches Vorzeigeprojekt. Regenwasser gelangt aus dem Jovy-Quartier unterirdisch zum Mühlenbach.
Im Gänsemarsch geht es sechs Meter unter der Marathonbahn ganz vorsichtig und mit viel Aufmerksamkeit leicht bergab Richtung Wittringer Mühlenbach. Es ist relativ eng, dunkel und etwas glitschig in dem Kanalrohr, aber keineswegs beklemmend. Dafür sorgt das enorm helle Licht aus der Taschenlampe von Frank Restemeyer, dem Entwässerungsexperten der Stadt, das in die scheinbar unendliche Finsternis leuchtet – aber auch seine beruhigenden und erklärenden Worte.
Restemeyer präsentiert bei diesem 170-Meter-Inspektionsgang in der Unterwelt der städtischen Kanalisation die jüngste Errungenschaft der städtischen Kanalbauer, auf die das gesamte Team im Ingenieuramt stolz ist. Erst vor einigen Wochen ging das insgesamt 310 Meter lange Stahlbetonrohr, das immerhin zwei Meter im Durchmesser misst, in Betrieb. „Das ist ein Meilenstein in der Stadtentwässerung, ein Beispiel, wie eine ökologische Entwässerung in Zukunft aussieht.“
Kanal transportiert Regenwasser aus dem Jovy-Quartier zum Mühlenbach
Denn durch den neuen Kanal wird ausschließlich Regenwasser aus dem Wohnquartier Jovyplatz (Jovyplatz, Am Allhagen, In der Mark, In der Dorfheide und Kortestraße, in denen Regen- und Schmutzwasser bereits getrennt gesammelt werden) zum renaturierten Wittringer Mühlenbach transportiert und landet nicht mehr im Schmutzwasser. Und damit auch bei Starkregen genug Platz da ist, wurde der Kanal so konzipiert, dass er gleichzeitig genug Stauraum bietet, um bis zu 1000 Kubikmeter Wasser aufzunehmen. Vorgelagert ist dem Speicher in Höhe der Gildenstraße eine Reinigungsanlage.
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Hier, in Höhe des Spielplatzes, ist auch der Einstieg in die Kanalwelt. Die Besucher werden mit Schutzanzügen, Helmen und Handschuhen ausgestattet, gesichert an einem Stahlseil geht es durch den engen Schacht hinunter auf die Kanalsohle. Erster Eindruck: Es ist angenehmen kühl hier unten, es ist sauber und es riecht nicht - klar, weil hier nur Regenwasser durchfließt. Ein kleines Rinnsal ist zu sehen, da es am Abend und in der Nacht zuvor ein leichtes Sommergewitter gegeben hatte. Das Wasser plätschert durch ein 80-Zentimeter-Rohr hinein.
Ingenieuramt lobt die gute Arbeit der beteiligten Firmen
Die Gäste watscheln um die Wasserpfützen herum durch die Betonröhre, die nach einigen Metern einen leichten Knick macht. Restemeyer verweist auf die gute Qualität der Arbeit - die der Stahlbetonrohr-Herstellung durch die Firma Haber Beton in Leipzig, aber auch die der Verlegung durch die Firma Uhrig aus dem süddeutschen Geisingen. Sauber und glatt sei der Beton, vorbildlich seien die Dehnfugen verarbeitet zwischen den einzelnen Rohrstücken. Projektleiterin Tanja Schielke zeigt an Hand von leichten Ablagerungen an der Kanalwand, wie hoch das Wasser bereits seit Inbetriebnahme Ende Mai gestanden hat.
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Um das Wasser zu stauen, (das sei wichtig, damit Sturzfluten nicht den Einlauf in den Mühlenbach zerstören) gibt es im Kanal, erklärt Frank Restemeyer, zwei Staustufen, vor denen jeweils 500 Kubikmeter Wasser (also 500.000 Liter) aufgehalten werden können. Eine Stauwand liegt etwa auf halbem Weg zum Mühlenbach in Höhe Harsewinkelstraße (wo die Besucher wieder an die Oberfläche klettern).
Per Druckleitung wird das Wasser auch Richtung Ehrenmalteich gepumpt
Hier fließt nicht nur über Überlaufventile ein Teil des Wassers weiter, sondern eine Pumpe schafft möglichst die Hälfte des ankommenden Wassers über eine zehn Zentimeter dicke Druckleitung in den Wittringer Wald Richtung Ehrenmalteich. Auf halben Weg gibt’s mitten im Wald ein Auslassrohr und das Wasser sucht sich durch einen Graben seinen weiteren Weg - und versorgt dabei das Umfeld mit dem nötigen Nass. Im besten Fall kommt über die Gräben Wasser im Ehrenmalteich an. Über den Schlossteich und die Brillenteiche erreicht es schließlich den Mühlenbach.
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Aber auch unter der Marathonbahn südlich der Harsewinkelstraße wird das Regenwasser weitere 140 Meter bis in den Mühlenbach geleitet: Etwa hinter dem VfL-Tennisplatz liegt unterirdisch eine zweite Staustufe, die noch einmal 500 Kubikmeter Regen aufhalten kann. Eine Drossel regelt hier den richtigen Abfluss des Wassers in den renaturierten Bach. Tanja Schielke und Frank Restemeyer berichten, dass man den Kanal bereits einmal habe volllaufen lassen und einem Stresstest unterzogen habe. „Das System hat funktioniert“, freuen sich die beiden Ingenieure über die wegweisende Entwässerung „made in Gladbeck“.
Nur sieben Monate Bauzeit
3,6 Millionen Euro hat die Stadt in den Regenkanal investiert. Die Bauzeit betrug „extrem kurze“ sieben Monate, dank eines Spezialverfahrens der Firma Uhrig, so Frank Restmeyer, Abteilungsleiter Stadtentwässerung im städtischen Ingenieuramt. Wichtig ist ihm: Es mussten nur wenig Bäume für die Bautrasse gefällt werden.
Gladbeck gehört zu den Städten der Emscherregion, die mit der Emschergenossenschaft die „Zukunftsinitiative Wasser in der Stadt von Morgen“ (ZI) ins Leben gerufen haben. Ziel ist es u. a., mit vielen Bausteinen eine klimarobuste Region zu entwickeln. Das Quartier Jovyplatz mit dem neuen Trennsystem und der Regenwassernutzung für den Wittringer Wald sei ein Baustein, so Restemeyer,.