Gladbeck. Das neue Ausbildungsjahr ist ab August gestartet. Die Gladbeckerin Sidney-Jane Kretschmann hat ihre Lehrzeit als Schornsteinfegerin begonnen.

Jemandem immer wieder aufs Dach steigen, das hat bei Sidney-Jane Kretschmann nichts sprichwörtliches mit häufigen Beschwerden zu bedeuten. Die 16-Jährige macht das nämlich ab sofort von Berufs wegen. Sie ist die neue Auszubildende im Betrieb von Bezirksschornsteinfegermeister Thomas Schulz. Eine von vielen jungen Gladbeckern, die mit dem 1. August ihre Berufsausbildung begonnen haben.

Auch interessant

„Zuerst wollte ich eigentlich Friseurin werden“, erzählt die Glücksbringerin. Ein Berufspraktikum als Schülerin der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule habe ihr dann aber schnell gezeigt, dass der Job im Frisiersalon nichts für sie sei, „das war mir zu langweilig“. Da wollte sie dann doch lieber hoch hinaus, ins Freie aufs Dach. Vorbild mag da auch ihr Vater gewesen sein, der als Dachdecker an der frischen Luft arbeitet. Richtig ´schuld` daran sei aber ihr älterer Bruder, meint Sidney-Jane mit einem Lächeln.

Keine Höhenangst und Scheu, mit anzupacken

Keine Höhenangst: Schornsteinfeger-Azubi Sidney-Jane Kretschmann will gerne hoch hinaus.
Keine Höhenangst: Schornsteinfeger-Azubi Sidney-Jane Kretschmann will gerne hoch hinaus. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Denn Joey ist quasi einer ihrer Vorgänger, er hat auch bei Meister Schulz gelernt. Er habe gesagt, „mach’ doch mal ein Praktikum, das könnte dir gefallen“. Und recht hat er gehabt: „Mir hat die Abwechslung gefallen, viel in Bewegung zu sein und mit den Kunden zu tun zu haben“, erzählt Sidney-Jane. Meister Schulz war von der engagierten jungen Frau, die keine Höhenangst und Scheu hatte, mit anzupacken und nachzufragen, angetan. Tatkräftige Hilfe kann er in seinem Bezirk gebrauchen, der Alt-Rentfort, Ellinghorst und die Stadtmitte umfasst, mit immerhin noch 800 betriebenen Kaminöfen, die höheren Reinigungsaufwand verlangen. Er sei aufgrund seiner Erfahrungen aber etwas zurückhaltend geblieben. „In dem Alter kann sich anfängliche Begeisterung schnell ändern.“ Er habe daher angeboten, „bis März musst du dich entscheiden, so lange halte ich die Stelle frei“.

Auszubildende werden von der schwarzen Zunft gesucht

Das Schornsteinfegerhandwerk kann dringend weitere Auszubildende gebrauchen. Im Regierungsbezirk Münster haben sich für die 230 Kehrbezirke nur 18 Interessenten beworben. Die Ausbildungsvergütung wird deutlich aufgestockt und beträgt ab dem Ausbildungsjahr 2021 gut 600 Euro im ersten Ausbildungsjahr, 700 im zweiten und mehr als 800 im dritten. Für Gladbeck ist die Schornsteinfegerinnung Münster zuständig Tel. 02594-5061 oder Mail info@schornsteinfegerinnung-muenster.de

Als Glücksboten sind Schornsteinfeger schon seit dem Mittelalter beliebt. Der Grund ist ganz einfach: War der Schornstein frei, konnte gekocht und geheizt werden. Außerdem verringerten sie mit ihrer Arbeit die Gefahr von Schornsteinbränden, die bei Holz- und Fachwerkhäusern in enger Wohnbebauung schnell zur Katastrophe führen konnten. Für die Bewohner brachte der Schornsteinfeger also Sicherheit und damit Glück ins Haus. Dieser Glaube hat sich bis heute erhalten.

Sidney-Jane brauchte in ihrem Dachstübchen dann wohl nicht allzulange zu überlegen, um den Ausbildungsvertrag zu unterzeichnen. „Ich fand interessant, dass es im Beruf auch um Dinge geht, die ich in der Schule gerne gemacht habe, etwa Chemie und Mathe.“ Die Anforderungen an die Auszubildenden seien vielfältig, bestätigt Thomas Schulz. Denn das Berufsbild habe sich stark gewandelt. Ging es früher simpel darum, „Kamine und Schornsteine zu reinigen“, so sei es heute auch Aufgabe des Schornsteinfegers, „den Schadstoffausstoß der Feuerungs- beziehungsweise Heizungsanlagen mit moderner Technik zu messen. Und zu überprüfen, ob die Richtwerte eingehalten werden“. Diese Immissionsschutzmessungen trügen zur Sicherheit des Kunden wie zur Luftreinhaltung und zum Umweltschutz bei.

Schornsteinfegerinnen sind heutzutage keine allzu große Besonderheit

Auch interessant

Dass junge Frauen Schornsteinfeger werden, sei heute auch keine allzu große Besonderheit mehr, so Schulz. „Viele Mädchen sind genauso gut im Job wie Jungs“, es komme halt immer auf de Einstellung und das Engagement an. Dass das bei Sidney-Jane stimmt, bestätigt Geselle André Arndt. „Sie hat vom ersten Tag an Fragen gestellt, will vieles sofort selber machen. Wenn sie in dem Tempo weiter macht, wird sie die Lehrzeit bestimmt verkürzen, von drei auf zweieinhalb Jahre“.

Da muss Lehrherr Schulz die Nachwuchskraft wohl eher bremsen. „Wir fangen ganz langsam und sicher an und frühestens kommendes Jahr geht es zum ersten Mal für Sidney-Jane aufs Dach. Ein nicht so hohes, auch gut seitlich mit Dachgauben gesichert, falls man doch mal abrutscht. „Ziel ist es, dass der Azubi im dritten Lehrjahr dann alles fegen kann.“ Das betrifft auch die Schlote auf dem höchsten Dach in Schulz’ Bezirk „ein Haus mit sechs Etagen plus Dach, das gut 25 Meter hoch ist“.