Gladbeck. Apotheker dürfen ab Herbst in bestimmten Regionen impfen. Apotheker und Ärzte in Gladbeck üben Kritik und sehen keine Notwendigkeit.
Wer sich gegen die Grippe impfen lassen möchte, muss künftig nicht mehr unbedingt seinen Arzt aufsuchen: Impfungen sollen ab Herbst auch in Apotheken möglich sein. Für ein bundesweit vertraglich vereinbartes Modellvorhaben wurden vier Regionen ausgewählt. Gladbeck ist zwar nicht dabei, doch eine Ausweitung ist nicht auszuschließen. Sowohl bei Apothekern als auch bei Ärzten in Gladbeck stoßen die Pläne allerdings auf Kritik.
„Wenn ich gerne impfen würde, wäre ich Arzt geworden“, sagt Arne Kuhn, Inhaber von Kuhns Apotheke an der Lambertistraße in der Innenstadt. Auch wenn er eine abschließende Entscheidung noch nicht getroffen habe, ob er selbst in seiner Apotheke impfen würde, steht für ihn fest: „Ich werde es sicherlich nicht als einer der ersten einführen.“ Ob Kunden das Angebot nutzen würden, kann er nicht einschätzen. Er weiß aber sehr wohl: „Bisher hat sich kein Kunde beschwert, dass es in einer Arztpraxis so voll war, dass er nicht geimpft werden konnte.“
Ausweitung auf Corona-Impfstoff noch unklar
Für das Modellvorhaben, dass die AOK mit den Apotheken zum Grippeschutz startet, wurden vier Regionen ausgewählt: Essen/Mülheim/Duisburg, der rechte Niederrhein mit Duisburg, Düsseldorf und Umgebung und der Bonn-Sieg-Kreis.
Ob die Impferlaubnis auch auf Corona ausgedehnt wird, sobald ein Impfstoff entwickelt wurde, ist derzeit noch unklar.
Bei Impfungen können Nebenwirkungen, etwa ein allergischer Schock, auftreten
Das sieht Dorothee Pradel, Sprecherin der Apotheker in Gladbeck und Inhaberin der Elefanten-Apotheke, ähnlich. „Es ist noch niemand nicht geimpft worden, weil er keinen Termin beim Arzt bekommen hat“, sagt sie. Daher halte sie das Angebot überhaupt nicht für nötig. Mehr noch: „Ich bin da sehr kritisch und habe kein gutes Gefühl.“ Grund: Bei Impfungen können Nebenwirkungen, etwa ein allergischer Schock, auftreten. „Ärzte können zudem besser einschätzen, ob ein Patient überhaupt impfbereit ist“, so Pradel. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn ein Mensch schon einen Infekt hat.
Auch Hausarzt Dr. Gregor Nagel sieht keinen Bedarf. „Ich verstehe nicht, wo der Sinn liegt.“ Es gebe kein Problem, Impfungen in den Arztpraxen durchzuführen. Im Gegenteil: „Wir müssen die Patienten oftmals zur Impfung motivieren.“ Zudem hätten Mediziner bei einem Impftermin die Möglichkeit, weitere gesundheitliche Aspekte abzufragen. Jeder habe seine Aufgabe im System. „Wir Ärzte geben ja auch keine Medikamente raus“, so der Mediziner. Es gebe wohlweislich eine Trennung zwischen kaufmännischen Berufen und Heilberufen.
Die Impfrate soll so gesteigert werden
Der Apothekerverband etwa geht davon aus, dass die Impfrate mit dem zusätzlichen Angebot in Apotheken deutlich gesteigert werden könnte. Dass die Impfquote mit den neuen Plänen erhöht werden könne, bezweifelt Nagel jedoch. „Dass zu wenig geimpft wird, liegt nicht daran, dass Mediziner nicht fragen, wir stoßen aber immer wieder auch auf Widerstand.“
Christoph Witzke, Inhaber der Pfau- und der Delphin-Apotheke, hält Apotheker für genauso sachkundig wie Ärzte, Impfungen zu verabreichen. „Jeder weiß, dass ein Arzt studiert hat, nicht alle aber wissen, dass auch Apotheker studiert haben.“ Dieses „Unwissen“ könnte für einige ein Hinderungsgrund sein, eine Apotheke für eine Impfung aufzusuchen. Das Angebot in Apotheken hält Witzke für niederschwelliger, dort könne etwa ohne vorherige Terminvereinbarung vorbeigeschaut werden.
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Aber auch Witzke sieht die Gefahr, dass ein allergeschischer Schock auftreten kann. Die meisten Impfstoffe basierten auf Hühnereiweiß. Dagegen seien einige Menschen allergisch, reagiert werden müsse da mit einer Notfallspritze. „Bei vielen fehlt die Übung für Notfälle.“ Aber auch nach einer Impfung könnten Reaktionen wie etwa juckende Flecken auftreten. „Wenn das nach einer Impfung vom Apotheker passieren würde, würde es vom Publikum anders gewertet, als wenn ein Apotheker die Impfung gemacht habe – auch, wenn das unberechtigt ist“, vermutet Witzke. Auch Dr. Nagel sieht diesen Punkt. „Wer behandelt die Patienten, wenn Schmerzen an der Einstichstelle oder sogar Fieber auftreten?“, fragt er. Der Arzt könne etwa nicht ausreichend nachvollziehen, welcher Wirkstoff vom Apotheker verabreicht wurde. Es blieben einige offenen Fragen.