Gladbeck/Recklinghausen. Der Innenminister trifft Präventionsarbeiter gegen extremistischen Salafismus. Das Beratungsangebot „Wegweiser“ wurde im Kreishaus vorgestellt.

Bei einer „Wissen-wollen-worüber-man-redet-Tour“ hat sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ein Bild von der Arbeit der RE.init-Profis in Recklinghausen und Bottrop gemacht. Auch Recklinghausens Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen saß in korrektem Corona-Abstand mit im großen Sitzungssaal des Kreishauses in Recklinghausen, als das Thema auf den Tisch kam.

„Wir müssen den Hass aus den Köpfen herausbekommen. Ich glaube, dass es eine geniale Idee war, schon vor vielen Jahren dieses Programm zu starten“, widmete der NRW-Innenminister seinen Informationsbesuch in eine Geste des Respekts vor der Arbeit von RE.init und den Projektpartnern in anderen Städten um.

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Aussteigerprogramme sind stark nachgefragt

Das Beratungsangebot von „Wegweiser“ wird im Katalog der Präventions- und Aussteigerprogramme des NRW-Verfassungsschutzes seit dem Start intensiv nachgefragt: Mehr als 1000 direkt Betroffene haben bislang das Angebot der „Wegweiser“-Anlaufstellen angenommen, in gut 400 Fällen gab es längerfristige Zusammenarbeit. Fast 21.000 Anfragen sind ans Programm „Wegweiser“ gestellt worden – speziell auch aus dem sozialen Umfeld von Betroffenen. Von Eltern, Lehrern, Freunden… Mehr als 3800 Sensibilisierungsveranstaltungen in Schulen oder für Behördenmitarbeiter haben die „Wegweiser“-Anlaufstellen durchgeführt.

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Für Reul hat die Konzeption bestens funktioniert, die Arbeit in die Hände von Trägern vor Ort zu legen, die viel von der Sache verstehen, in Region und Institutionen gut vernetzt sind, junge Leute ansprechen können – und das Personal haben, professionell zu agieren. „Manche sagen, dass wir ein Riesengeld für einzelne Menschen ausgeben – es ist aber genau dieser Einzelne, der sonst vielleicht eine Bombe wirft. Diesen Preisvergleich kriegen wir ganz gut hin“, erklärte Reul. Zu diesem Lob mit klaren Worten bewegen den NRW-Innenminister nicht nur die nüchternen Zahlen im Kreishaus, sondern vor allem der Bericht einer RE.init-Fachfrau über die konkrete Arbeit vor Ort.

Salafisten haben junge Menschen im Blick

Ein Präventionsprogramm

Die Anlaufstellen von RE.init in Recklinghausen und Bottrop – „Wegweiser im Vest“ – gehören seit August 2018 zu einem Netz von mittlerweile 25 Einrichtungen, die flächendeckend in NRW arbeiten.

Das Präventionsprogramm „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ wurde schon 2014 in NRW initiiert, es ist bis heute bundesweit einzigartig. Das Ministerium des Innern finanziert jede Anlaufstelle in einer Höhe von bis zu 180.000 Euro pro Jahr für Personal (zwei bzw. drei Stellen in größeren Zuständigkeitsbereichen) sowie die Betriebskosten.

Besonderheit des Programms: Allein im Oktober 2019 fand eine Beratung in 542 Fällen mit Minderjährigen im Alter von 14 bis 17 Jahren statt – und in 133 Fällen von Kindern unter 14 Jahren. Dies sind in aller Regel Fälle vor einem Einstieg in die salafistische Ideologie und daher grundsätzlich keine durch den Verfassungsschutz oder den polizeilichen Staatsschutz bearbeiteten Personen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die „Wegweiser“-Experten kein Aufhebens um ihre Person machen. Sich zurückzunehmen, ist nicht nur der Tatsache geschuldet, einschlägigen Kreisen ein Dorn im Auge zu sein. Anonymität und Diskretion ist Handwerkszeug – Vertrauen zu gewinnen, die Grundlage des Handelns. Das Smartphone spielt eine Rolle, das Internet sowieso. Salafistische Seelenfänger manipulieren und nutzen – ob virtuell oder in der Realität – Probleme in Schule oder Familie, (religiöse) Sinnsuche, Unterlegenheitsgefühle, tatsächliche oder auch subjektiv empfundene Diskriminierung aus.

Das Ziel der Salafisten: Junge Menschen über Gemeinschafts- und neue Selbstwertgefühle an die Ideologie heranzuführen. RE.init verfügt über ein breites Netzwerk, um Betroffenen ganz konkrete Hilfestellung bei Behördengängen, Bewerbungen, Wohnungssuche und, und, und… zu geben: durch die Kooperation mit Ämtern, Familienberatungsstellen, Jobcenter und Migrantenorganisationen.

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