Gladbeck. Die Kassenärztliche Vereinigung will die Corona-Testmöglichkeit wieder dezentralisieren. Auch Gladbecker Ärzte übernehmen jetzt die Untersuchung.
Der Kreis Recklinghausen muss seine beiden auch für Gladbecker Patienten noch eingerichteten zentralen Corona-Testzentren ab diesen Mittwoch, 19. Mai, unter alleiniger Regie fortführen, oder schließen. Grund: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) will die Untersuchung von Corona-Verdachtspatienten wieder dezentralisieren und generell an die niedergelassen Ärzte zurückführen. Das führt zu deutlichem Protest der Kreisverwaltung und von Landrat Cay Süberkrüb. Gladbecker Ärzte zeigen indes Verständnis.
Landrat Cay Süberkrüb kündigt heftige Auseinandersetzung mit der KV an
Landrat Cay Süberkrüb kritisierte am Dienstagvormittag in der Sondersitzung des Sozial- und Gesudheitsausschusses des Kreises die "wirtschaftliche Orientierung" der Kassenärztlichen Vereinigung. "Es ist sehr irritierend, was da passiert", so der Landrat. "Wir werden noch eine heftige Auseinandersetzung mit der KV führen", kündigte er an. Der Kreis werde jedoch auf jeden Fall sicherstellen, dass jeder notwendige und medizinische Test im Kreis weiterhin durchgeführt werde. "Dabei setzen wir weiterhin auf die bewährte Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz."
Um die koordinierte Testung einer größeren Anzahl von Bürgern gewährleisten zu können, hatte der Kreis nach Ausbruch der Corona-Epidemie und steigenden Fallzahlen kreisweit bis zu fünf zentrale Durchfahrtszentren eingerichtet, von denen aktuell noch eines am Prosper-Hospital in Recklinghausen und eines an der Paracelsus-Klinik in Marl in Zusammenarbeit mit dem DRK geführt werden. Hausärzte hatten hier auch zur eigenen Entlastung hilfesuchende Patienten mit Corona-Symptomatik zur Abstrich-Untersuchung anmelden können.
Das Untersuchungs-System mit dem DRK als Partner habe sich bewährt
"Ein bewährtes System", erklärt Svenja Küchmeister von der Pressestelle des Kreises, da über die Teams des DRK auch die Testung von asymptomatischen Personen möglich sei, die noch keine coronatypischen Beschwerden zeigten. Mobile Einheiten seien dazu etwa auch an Senioreneinrichtungen vorgefahren, "um dort alle Bewohner und Mitarbeiter zu testen, damit die Gesundheitsbehörde des Kreises ein klares Lagebild im Sinne des Infektionsschutzes erhält". Auch wenn größere Testzentren derzeit vielleicht nicht mehr benötigt würden, sei die Corona-Lage aus Sicht der Kreisverwaltung noch viel zu instabil, "um alle mit dem DRK-Kreisverband geschaffenen, hervorragend funktionierenden Strukturen schon jetzt aufzulösen". Die Infektionszahlen könnten nach den begonnenen Lockerungen ja wieder zunehmen.
In diesem Fall könne das System wieder überdacht werden, sagt Vanessa Pudlo, Pressesprecherin der KVWL. Aktuell habe sich die Lage aber entspannt, seien die niedergelassen Ärzte ausreichend mit Schutzmaterial versorgt und gut auf die Coronaproblematik und Hygienemaßnahmen eingestellt, "so dass die begründete Testung von Patienten, die eine Coronavirus-Symptomatik aufweisen, wieder direkt in den Praxen vorgenommen werden kann". Dies sei auch eine originäre Aufgabe der Kassenärzte, die die KVWL nicht dauerhaft auf Dritte wie den Kreis Recklinghausen übertragen könne. Auch nur für diese Testung symptomatischer Patienten bestehe die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, asymptomatische Personen dürften derzeit nicht zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden.
Vorsitzender des Gladbecker Ärztenetzes zeigt Verständnis für die Entscheidung
Die Situation für die niedergelassen Ärzte habe sich auch mit der Versorgung von Schutzmaterialien entspannt, "so dass jede Praxis in Gladbeck in der Lage sein müsste, Corona-Abstriche durchzuführen", zeigt Dr. med. Gregor Nagel Verständnis für die abgesprochene Entscheidung der KV. Der Mediziner ist Vorsitzender des Gladbecker Ärztenetzes, dem sich mehr als drei Viertel der niedergelassenen Ärzte im Stadtgebiet angeschlossen haben. Bei vergleichsweise nur noch wenigen Patienten mit Coronaverdacht und so nicht ausgelasteten Testzentren, sei es "doch auch überflüssig, eine Untersuchungs-Struktur doppelt vorzuhalten".
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>>>Krankenkassen sollen alle Corona-Tests finanzieren
•Das vergangenen Freitag verabschiedete Zweite Covid-19-Bevölkerungsschutz-Gesetz sieht vor, dass künftig auch die Kosten für asymptomatische Testungen, etwa durch die Gesundheitsbehörde des Kreises Recklinghausen, von den Krankenkassen übernommen werden.
•Das Gesetz wird erst durch eine entsprechende Rechtsverordnung (Ziel Mitte Juni) wirksam, in der Näheres zur Erbringung, Vergütung und Abrechnung dieser Leistungen geregelt wird. Diese Rechtsverordnung wird derzeit noch vom Bundesgesundheitsministerium erarbeitet.