Gladbeck. Nach acht Wochen Reisebeschränkungen gibt es in Reisebüros und bei Kunden Hemmungen. Die Gladbecker Reisebranche fürchtet, ins Defizit zu fallen.

„Unsicherheit“ ist wohl das Wort dieser Tage, fragt man in Gladbecker Reisebüros nach, wie es denn nach acht Wochen Corona-Krise um ihr Geschäft stehe. Dabei gilt diese Gemütslage sowohl für die Touristikanbieter als auch für deren Kunden. „Es gibt vorsichtige Anfragen, nachdem Österreich angekündigt hat, die Grenzen wieder zu öffnen“, berichtet Kerstin Landgraf, Leiterin des Reisebüros Ralf Böhm an der Feldhauser Straße in Zweckel, „aber die Leute sind unsicher, wie ein Urlaub mit Mundschutz wohl aussehen mag.“

Zwar kämen die Veranstalter wieder auf sie zu und würden werben, aber die sogenannten „Bodenleistungen“ – also weder Flug noch Kreuzfahrt – organisierten die meisten ohnehin selbst. „Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland voll wird“, so die Reiseverkaufsfrau, „aber das bringt uns kein Stück weiter. Wir haben immer noch mit Stornierungen oder Umbuchungen für das nächste Jahr zu tun, aber neue Buchungen gibt es bisher kaum welche. Die Provisionen, von denen wir leben, zahlen die Veranstalter dann auch erst im nächsten Jahr.“

Im Reisebüro Laudenbach fragt niemand einen Deutschland-Urlaub nach

Fernreisen, die Kemens Funke vom Reisebüro Laudenbach hier noch präsentiert, sind derzeit überhaupt nicht im Angebot. Und Urlaubsort in Deutschland würden „null“ nachgefragt.
Fernreisen, die Kemens Funke vom Reisebüro Laudenbach hier noch präsentiert, sind derzeit überhaupt nicht im Angebot. Und Urlaubsort in Deutschland würden „null“ nachgefragt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

So sind am vergangenen Mittwoch von Münster bis Düsseldorf viele Betreiber von Reisebüros auf die Straße gegangen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Klemens Funke vom Reisebüro Laudenbach an der Horster Straße in Stadtmitte, sagt auf die Frage, wie viele Kunden jetzt bei ihm „Deutschland“ buchen würden, lapidar „Null“. Es wolle sich niemand festlegen: „Die meisten haben keine Lust, im Urlaub mit Maske herumzulaufen.“

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Es scheint für die Reisebüros auch eine Frage nicht ausreichender Kapazitäten zu sein. Deutschland werde in der Hauptsaison ohnehin sehr stark nachgefragt, sagt Klemens Funke: „Da sind schon die meisten Angebote weg.“ Auf die möglichen Nachfragen, die jetzt noch zu erwarten seien, könnte gar nicht immer zufriedenstellend reagiert werden. Außerdem gebe es in der Kundschaft viele Unsicherheiten hinsichtlich der Umbuchungen und Stornierungskosten, habe er festgestellt: „Nur ein Beispiel: Wenn der Veranstalter die Reise absagt, braucht der Kunde keinen Gutschein zu nehmen.“ Funke empfiehlt, sich bei Unklarheiten, insbesondere hinsichtlich der Kosten, vom Reisebüro beraten zu lassen, um Rechtssicherheit zu bekommen.

Reisefachmann Ugur hat Rücklagen und Soforthilfe fast aufgebraucht

Mustafa Kemal Ugur, Inhaber des Reisestudios Gladbeck, arbeitet derzeit ehrenamtlich, wie er ironisch feststellt angesichts ausbleibender neuer Buchungen und Rückabwicklungen gebuchter Reisen.
Mustafa Kemal Ugur, Inhaber des Reisestudios Gladbeck, arbeitet derzeit ehrenamtlich, wie er ironisch feststellt angesichts ausbleibender neuer Buchungen und Rückabwicklungen gebuchter Reisen. © Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Wir sind ehrenamtlich tätig“, sagt Mustafa Kemal Ugur nicht ohne Ironie. Er ist Chef des Reisestudios Gladbeck am Willy-Brandt-Platz. „Ich kann meinen Kunden einen Urlaub an Nord- oder Ostsee in Deutschland wenig schmackhaft machen“, erklärt er, dessen Kundschaft auf südliche Strandgefilde programmiert ist: „In Deutschland gibt es keine Wettergarantie.“ So bleibt ihm, der seine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat, im Moment, auch nur auf bessere Zeiten zu hoffen: „Alle Reisen bis zum 14. Juni sind storniert und wir arbeiten an den Rückforderungen.“ Seine Rücklagen hat Ugur fast aufgebraucht, genauso wie die staatliche Soforthilfe. Das geht seinen Kollegen weitgehend ebenso. Er hofft seitens der Politik auf einen Rettungsschirm, „wie bei den Gastronomen und Hoteliers.“

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Babette Fallbredde vom holitime Reisebüro an der Wiesenstraße fasst das Dilemma ihrer Branche zusammen: „Es gibt Gelder für die Großen, wie TUI und Lufthansa, aber wir fallen durchs Raster.“ Es gibt bei den „Kleinen“ nicht nur keine Umsätze – sie müssen die Provisionen, von denen sie leben, bei den jetzt stornierten Reisen an die Veranstalter zurückzahlen: „Wir arbeiten nicht nur umsonst, wir fallen auch noch ins Defizit.“ Keine guten Aussichten für die Gladbecker Reisebranche.

Infos für Reisebüros und Kunden

Anbieter: Der Deutsche Tourismusverband fordert von der Bundesregierung klare Vorgaben für den Neustart des Deutschlandtourismus, einen „Rettungsschirm Deutschlandtourismus“ des Bundes und öffentliche Investitionen in die touristische Infrastruktur. www.deutschertourismusverband.de.

Kunden: Laut Gutachten der Verbraucherzentrale könnten Verbraucher kostenlos Auslands-Pauschalreisen stornieren, die bis Ende August 2020 stattfinden sollen. Dies gilt unabhängig von der globalen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, die nur bis zum 14. Juni 2020 gilt. Auch kurz bevorstehende Pauschalreisen ins Ausland können noch kostenlos storniert werden. www.verbraucherzentrale.de.

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