Gladbeck. Das Wohnungsunternehmen Vonovia hat „sein“ Zechenhaus verkauft. Der neue Eigentümer kündigt nach Aussage des Mieters Abriss und Neubau an.

Schon zwei Mal mussten Friedel Bolus und seine Familie ihre Wohnung unfreiwillig verlassen, jetzt befürchtet der 61-Jährige, dass genau das ihm wieder droht. Er lebt mit seiner Frau Barbara und einer 23-jährigen Tochter in einem Zechenhaus an der Brauckstraße.

Die Wohnungsbaugesellschaft Vonovia hat das Drei-Familien-Haus, in dem nur noch Familie Bolus wohnt, verkauft. Der Vertrag ist unterschrieben, der Nutzen-Lasten-Wechsel ist nach Auskunft von Vonovia für Ende Juni vorgesehen. Der künftige Eigentümer habe ihm mitgeteilt, er werde das Haus abreißen und auf dem Grundstück Luxuswohnungen bauen, sagt Friedel Bolus.

Vonovia: Kündigung ist in den nächsten zehn Jahren ausgeschlossen

„Das ist in den kommenden zehn Jahren ausgeschlossen“, widerspricht Vonovia-Pressesprecherin Bettina Benner. So lange gelte der im Kaufvertrag festgelegte Kündigungsschutz für die Mieter. Benner: „Dieser Kündigungsschutz läuft weit über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Es gilt: Kauf bricht nicht Miete.“ Darauf habe das Wohnungsunternehmen den Käufer bei der notariellen Vertragsunterzeichnung noch einmal ausdrücklich hingewiesen, nachdem Friedel Bolus seine Befürchtungen geschildert habe.

Auch interessant

„Dann übt er eben psychischen Druck aus, um uns hier raus zu kriegen“, sagt Friedel Bolus. Der künftige Eigentümer habe sogar schon mit Bauplänen im Garten gestanden und dränge ihn, sich eine neue Wohnung zu suchen. Vonovia interessiere das nicht. Das Wohnungsunternehmen habe sich auch über all die Jahre nicht um den Zustand des Zechenhauses gekümmert. Bolus: „Vor dem Einzug haben wir rund 20.000 Mark investiert. Es gab kein Badezimmer, Elektrik und Wasserleitungen mussten erneuert werden.“ Seit Jahren beschwere er sich bei Vonovia über Feuchtigkeit und Schwarzschimmel in der Wohnung. Passiert sei nichts.

Mieter klagt schon seit langem über Versäumnisse von Vonovia

Fürchtet um sein Zuhause: Friedel Bolus am Eingang seines Miethauses, das nach seinen Informationen vom neuen Eigentümer abgerissen werden soll.
Fürchtet um sein Zuhause: Friedel Bolus am Eingang seines Miethauses, das nach seinen Informationen vom neuen Eigentümer abgerissen werden soll. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Bettina Benner widerspricht auch in diesem Punkt: Fachleute des Unternehmens seien vor Ort gewesen, hätten angeboten, den Schimmel, der offensichtlich auf mangelndes Heizen zurückzuführen sei, zu beseitigen. Der Mieter habe das abgelehnt. Bolus hat für diese Aussage nur ein müdes Lächeln übrig: „Die Feuchtigkeit zieht aus dem Keller in die Wohnung. Da hilft alles Heizen nichts und auch nicht, ein bisschen beizuputzen. Das Haus muss von Grund auf saniert werden.“

Auch interessant

Eigentlich wollte Friedel Bolus gar nicht nach Gladbeck. Als seine Heimat bezeichnet er immer noch Essen. 1978 wurde er Bergmann auf Zollverein, lebte mit seiner schwangeren Frau in der Wohnung seiner verstorbenen Eltern in der Nähe der Schachtanlage. Das Zechenhaus wurde in den 80er Jahren renoviert. Man bot ihm eine Ausweichwohnung an und versprach, dass er nach der Sanierung zurück kommen könne, erzählt er. Weil er aber nicht mehr auf der Zeche arbeitete, sondern als Steinmetz, wurde daraus nichts: „Als die Sanierung beendet war, sagte man mir, wir könnten nicht zurück, das Haus sei für Bergleute reserviert.“

Familie will dafür kämpfen, dort wohnen bleiben zu können

Abriss ohne Antrag

Nach Auskunft der Stadtverwaltung müsste nach den gesetzlichen Vorgaben kein Abrissantrag für ein Gebäude dieser Größenordnung gestellt werden. Ein Bauantrag liege ebenfalls nicht vor.

Den neuen Eigentümer kann Vonovia aus Datenschutzgründen nicht nennen, wollte ihm aber vorschlagen, sich mit der WAZ-Redaktion in Verbindung zu setzen. Das ist nicht passiert, und deshalb gibt es keine Stellungnahme von ihm.

Friedel Bolus will jetzt mit Hilfe eines Fachanwalts für Mietrecht seine Rechte durchsetzen.

Familie Bolus zog nach Essen-Stoppenberg. Die Familie wuchs. Die Eltern und zuletzt sechs Kinder teilten sich 58 Quadratmeter Wohnraum. Bolus: „Glücklicherweise hatten wir einen 600 Quadratmeter großen Schrebergarten.“ Aber auch den Garten musste die Familie aufgeben. „Er fiel Wohnungen für Besserverdienende zum Opfer.“ Weil er eine für ihn bezahlbare größere Wohnung in Essen nicht fand, zog er mit seiner Familie in das Zechenhaus an der Brauckstraße in Gladbeck – 79 Quadratmeter plus Garten für aktuell 500 Euro Miete. Jetzt will er dafür kämpfen, „dass wir nicht wieder vertrieben werden“.

Und er will alles daran setzen, dass das Zechenhaus erhalten bleibt, als Kulturgut und als Wohnraum für ehemalige Bergleute. „Das geht doch schon seit Jahren so. Die Bewohner, für die Zechenhäuser gebaut wurden, werden von Privatleuten mit Geld vertrieben. Viele gehen daran kaputt“, beklagt Bolus. Am liebsten wäre ihm, wenn Zechenhäuser wie das, in dem er wohnt, saniert und in sozialen Wohnraum umgewandelt würden.

Antwort aus dem Bauministerium macht wenig Hoffnung

Auch interessant

Die Antwort aus dem NRW-Bauministerium auf seinen entsprechenden Vorstoß ist allerdings eindeutig: „Im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung können wohnungswirtschaftliche Investitionen in städtebaulich erhaltenswerte Wohngebäude so unterstützt werden, dass zeitgemäße Wohnstandards erreicht werden und zugleich die Miete nach der Durchführung der Maßnahmen bezahlbar bleibt“, heißt es darin zwar, aber auch: „Das Land hat keine Möglichkeit, Eigentümer auf eine solche Maßnahme zu verpflichten.“ Wenig keinen Anlass zur Hoffnung also darauf, dass sich der Wunsch von Friedel Bolus erfüllen könnte.