Gladbeck. Die Tests zeigen, dass sich die Situation in Gladbeck zunehmend verschlechtert hat. 38 Prozent der Vorschulkinder sprechen nur schlecht Deutsch.

Das Ergebnis der Schuleingangsuntersuchungen ist alarmierend: Mehr als jedes dritte der 765 untersuchten i-Dötzchen (38 Prozent) hat Probleme mit der deutschen Sprache und beherrscht sie nicht altersgerecht. Der Sprachstand habe sich gegenüber den Vorjahren kontinuierlich verschlechtert, teilte Dr. Sabine Wadenpohl jetzt dem Jugendhilfeausschuss mit.

Bei der Schuleingangsuntersuchung würden auch andere Bereiche wie Motorik, Seh- oder kognitive Fähigkeiten getestet, der Fokus sei aber auf die Sprache gelegt worden, „da sie die Schlüsselkompetenz für die Kinder ist, um hier anzukommen und zu eigenständigen sowie starken Persönlichkeiten heranzuwachsen“, so die Gesundheits- und Bildungsberichterstatterin des Kreises Recklinghausen.

Die Flüchtlingsbewegung hat in Gladbeck größere Auswirkungen als im übrigen Kreisgebiet

Auch interessant

Die 2015 einsetzende starke Flüchtlingsbewegung sowie die EU-Binnenzuwanderung haben zwar alle Kreiskommunen betroffen, sich in Gladbeck aber stärker niedergeschlagen, da hier vergleichsweise mehr Menschen angekommen oder hingezogen seien. Kreisweit liege der Anteil der Einschulungskinder mit schwachem Sprachstand bei einem Schnitt von 26 Prozent.

Das Ergebnis hat sich nicht verbessert

Die dem Aussschuss vorgelegten Daten bezogen sich auf die Schuleingangsuntersuchungen 2012-2018. Die ausgewerteten Ergebnisse für 2019 liegen dem Kreisgesundheitsamt noch nicht vor, da es Probleme mit dem neuen Erfassungsprogramm gibt.

Dass sich das aktuelle Ergebnis verbessert hat, glaubt Christine Hellebrand (Ltg. Amt für Jugend und Familie) nicht. Einige syrische Flüchtlinge hätten jetzt auch schulpflichtige Kinder nach Gladbeck nachgeholt, deren Sprachstand noch nicht ausreichend ist.

Was die Situation erschwere, sei die Tatsache, dass ein Drittel der Einschulungskinder in Gladbeck in einer Familie mit geringem Einkommen lebt, die Sozialhilfe bezieht. Und sogar fast die Hälfte der Vorschüler wächst in einer anderssprachigen Familie auf. Ein beachtlicher Teil deren Eltern (39 %) habe zwar angegeben, dass in der Familie deutsch gesprochen werde, gleichwohl sei bei 79 Prozent dieser Kinder der Sprachstand nicht altersgemäß gewesen (Kreis 72 %). Es sei zu vermuten, so Sabine Wadenpohl, dass in diesen Familien deutsch nur rudimentär gesprochen werde, „oder, dass die Fähigkeit der Eltern, ihren Kindern die deutsche Sprache zu vermitteln, gesunken ist“.

Einige Kinder wachsen in Gladbeck in einer türkischen Parallelwelt auf

Auch interessant

Besondere Sorge bereite auch eine Gruppe von Kindern, „deren Zahl fast zwei Schulklassen ausmacht“, aus dem Gladbecker Stadtsüden. Sie stammten aus türkeistämmigen Familien, „die ihren Kindern nicht gestatten deutsch zu sprechen“, oder sich mit diesen vorrangig im türkischgeprägten Kleinmilieu (Wohnumfeld, Geschäfte) aufhielten. Eine Anzahl Kinder, die in einer Parallelwelt aufwachsen, „deren Situation sich in den letzten Jahren verfestigt hat“, so Dr. Wadenpohl. Hier sei „die Sozialarbeit in Gladbeck in besonderer Weise gefragt“.

Bedenklich sei auch, dass bei zwölf Prozent der Kinder aus deutschsprachigen Familien in Gladbeck der Sprachstand nicht ausreicht. Eine kontinuierliche Verschlechterung (2012 = 5 %) und ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr, wo dieser Anteil bei acht Prozent lag, und damit noch besser war als der Kreisdurchschnitt mit seit Jahren konstanten neun Prozent. Der zunehmende Medienkonsum sei „eine unheilvolle Entwicklung für die Sprachkompetenz der Kinder. Eltern seien gefordert, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen, sie über Erlebnisse erzählen zu lassen, ihnen Geschichten vorzulesen. Wadenpohl: „Das deutsche Fernsehprogramm zu schauen reicht nicht aus, um die Sprache zu lernen“.

Lokalpolitiker aller Fraktionen sind geschockt, „dass die Zahlen so schlecht geworden sind“

Auch interessant

Ausschussmitglieder aller Fraktionen zeigten sich geschockt, „dass die Zahlen so schlecht geworden sind“. Sabine Wadenpohl insistierte, dass es wichtig sei, möglichst früh im Sinne betroffener Kinder einzugreifen. Ein langer Kitabesuch wirke sich besonders dort positiv aus, wo die Kinder im Elternhaus keine Sprachförderung erhalten (können). Die Expertin empfahl, stadtweit erprobte Konzepte für eine Sprachförderung aufzustellen, die in allen Kitas gelten sollten. Sozialdezernent Rainer Weichelt unterstrich, dass sich die Stadt mit bereits eingeführten Maßnahmen (Sprachförderkonzept-Süd, Sprach- und Kulturmittler, Projekt Kita-Einstieg) bemühe, die Situation zu verändern. Dias sei aber eine Herkulesaufgabe, die Zeit brauche. Weitere Maßnahmen erforderten auch den Einsatz zusätzlicher Gelder „und die breite Unterstützung aus der Politik“.