Gladbeck. Giftige Boden-Altlasten haben sich vom Gewerbe- zum Wohngebiet im Gladbecker Westen ausgebreitet. Das Nutzungsverbot von Brunnen scheint sicher.
Es ist wohl sicher, dass im kommenden Jahr für einige der privaten Hausbrunnen im Pestalozzidorf ein behördliches Grundwassernutzungsverbot verhängt wird. Das wurde im jüngsten Umweltausschuss deutlich. Dort berichteten Vertreter des Kreises als zuständiger Aufsichtsbehörde und Fachleute über die aktuellen Sachstand zum Grundwasserschaden durch Altlasten im Bereich der Bottroper Straße.
Konkret geht es um giftige, krebserzeugende Leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW), die im Rahmen eines städtischen Altlasten-Gutachtens 2012 im Bereich des ehemaligen Grundstücks der Firma Säkaphen und im Bereich der Bottroper Straße festgestellt wurden. Das Grundwasser war teils massiv mit LCKW belastet. Das Betriebsgelände, von dem die Altlast ausgeht, wird heute von der Firma Rockwool als Lagerfläche genutzt. Obwohl das Unternehmen nicht Verursacherin dieser Verunreinigung ist, hat die zuständige Untere Bodenschutzbehörde des Kreises Recklinghausen die Firma Rockwool als Eigentümerin des Grundstücks verpflichtet, die Boden- und Grundwasserkontamination zu untersuchen.
34 bekannte Hausbrunnen sind im Wohngebiet Pestalozzidorf beprobt worden
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Um festzustellen, inwieweit das verunreinigte Grundwasser dem gegenüberliegenden Wohngebiet, dem sogenannten Pestalozzidorf, zufließt, wurden in den Jahren 2013, 2014 und 2019 auf Veranlassung des Kreises sämtliche 34 bekannte Hausbrunnen im Wohngebiet Durchholzstraße, Lökensweg, Pestalozzidorf, Eikampstraße und Kampstraße erfasst und beprobt. Im Ergebnis konnten bei einigen Hausbrunnen starke Verunreinigungen durch LCKW nachgewiesen werden. Der Kreis Recklinghausen empfahl den Grundstücksbesitzern der verunreinigten Brunnen daraufhin, das Grundwasser vorerst nicht zu nutzen. Zusätzlich wurden im Bereich des ehemaligen Grundstücks der Firma Säkaphen und im Wohngebiet durch die Firma Rockwool neue Grundwassermesspegel zur weiteren Erkundung des Schadens errichtet.
Ein Nutzungsverbot wird selten ausgesprochen
Die Untere Bodenschutzbehörde beim Kreis Recklinghausen ist als Sonderordnungsbehörde sowohl für den Schutz des Bodens, als auch für den Schutz des Grundwassersund des Menschen bei vorhandenen Bodenbelastungen zuständig.
Altlasten und altlastverdächtige Flächen, von denen für Mensch oder Umwelt Gefahren ausgehen, sind per Gesetz in einem Kataster zu erfassen. Die Untere Bodenschutzbehörde führt dieses Kataster für den Kreis Recklinghausen und erteilt auf Antrag Auskünfte aus diesem.
Ein Grundwassernutzungsverbot wird relativ selten in Nordrhein Westfalen ausgesprochen. Im Kreis Recklinghausen ist ein solches Verbot erst drei Mal erfolgt (Haltern, Marl, Herten). Laut dem Leiter der Bodenschutzbehörde sei der Kreis damit auch „landesweiter Spitzenreiter“.
Der von Rockwool beauftragte Gutachter, Dr. Josef Hemling, hatte dem Umweltausschuss „ganz frische neue Messergebnisse vom November 2019“ mitgebracht. Säkaphen habe chemische Reinigungsmittel zur Entfettung von Metalloberflächen vor der Lackierung verwendet. Besonders hohe Belastungen von bis zu rund 1600 Mikrogramm LCKW pro Liter Grundwasser sind in privaten Hausbrunnen auf Grundstücken am Lökensweg festgestellt worden. Konkret an den Grundstücke, die sich in größter Nähe zum ehemaligen Säkaphen-Gelände und der Fließrichtung des Grundwassers befinden. Dahinter, an der Durcholzstraße, wies die Schadstofffahne im Schnitt noch eine Grundwasserbelastung von 300 Mikrogramm auf. Zum Vergleich: Der Kreis empfiehlt ab einer Belastung von 10 Mikrogramm das Grundwasser nur zur Bewässerung von Pflanzen zu verwenden, und ab einer Belastung von mehr als 30 Mikrogramm auf jegliche Nutzung zu verzichten.
Die Firma Säkaphen hat der Aufsichtsbehörde gesagt, dass sie kein LCKW eingesetzt hat
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Die Firma Säkaphen habe gegenüber der Aufsichtsbehörde geäußert, „keine LCKW eingesetzt zu haben“, teilte Christian Eilebrecht, Ressortleiter Untere Bodenschutz- und Abfallwirtschaftsbehörde des Kreises, dem Ausschuss mit. Es spreche aber einiges dafür, dass die Verunreinigung vom ehemaligen Säkaphen-Grundstück ausgehe und es sei klar, „dass Rockwool nicht der Verursacher ist“. Gutachter Hemling stimmte dem zu, die Untersuchungsergebnisse legten nahe, „dass der Schadstoffeintrag auf dem Säkaphen-Gelände erfolgt ist“. Er erlebe es häufig, dass Verursacher behaupteten, dass ein 200 Liter-Fass Reinigungsmittel umgekippt und so der Schadstoff in den Boden gelangt sei. Helming: „Über eine solche geringe Menge unterhalten wir uns hier aber nicht.“
Christian Eilebrecht informierte weiter, dass das Grundwasser im Bereich des Pestalozzidorfes etwa ab einer Tiefe von sechs Metern anstehe und die Brunnen bis auf 40 Metern Tiefe gebohrt worden seien. Der Schadstoff LCKW könne etwa beim Besprengen von Rasenflächen ausgasen. Die Bewässerung von Ernteprodukten sei nicht so gefährlich, das LCKW sich nicht so strak in den Pflanzen ablagere. Gefährlicher sei, wenn das Brunnenwasser für Schwimmbecken genutzt werde und die Chemikalie durch verschlucken, einatmen und über die Haut im Körper aufgenommen werde.
Eine weitere Beprobungsrunde der Hausbrunnen soll im April 2020 erfolgen
Als nächster Schritt sei geplant, eine weiterer Beprobungsrunde der Hausbrunnen im April 2020 zu starten. Diese Ergebnisse seien dann die Grundlage „um ein behördliches Grundwassernutzungsverbot zu prüfen“, so Eilebrecht. Dies wird wohl für besonders belastete Brunnen im Pestalozzidorf ausgesprochen. Eilebrecht stellte klar, dass die Behörde hier nicht leichtfertig vorgehe, „da dies ja ein wichtiges Kriterium auch bei einem Immobilienverkauf ist“.
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