Gladbeck. Sie ist eine der prominentesten Rebellinnen der bundesdeutschen Parteiengeschichte: Ex-CSU-Politikerin und Ex-CSU-Landrätin Gabriele Pauli stattete am Sonntag Gladbeck eine Visite ab. Vor der Landesversammlung der „Freien Union” sprach sie rund 30 Minuten über Perspektiven ihrer Partei.

Schwarzes Jackett, rote Bluse – modisch und jugendlich-frisch präsentiert sich Gabriele Pauli vor rund 30 Freie-Union-Aktiven im Fritz-Lange-Haus. Sie redet in einem freundlich-verbindlichen Grundton mit leicht fränkischem Akzent. Rhetorisch kämpft sie in Gladbeck teils mit dem Florett, aber über weite Strecken ihrer Rede noch viel, viel lieber mit dem Vorschlaghammer: Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nennt sie „Staatsfunk”, sie sieht überall in der deutschen Politik „Tricksereien” und „Manipulation” und sie meint: „Immer mehr Bürger durchschauen das.” Ja, so spricht eine echte Rebellin.

"Überall sind mächtige Netzwerke entstanden"

Dass die Freie Union nicht an der jüngsten Bundestagswahl teilnehmen konnte, lag nach Paulis Analyse denn auch nicht an fehlenden Unterstützungsunterschriften oder an Formfehlern seitens ihrer Partei, sondern „am fehlenden politischen Willen” auf Seiten der Mächtigen. Die Freie Union werde in dieser Frage noch das Bundesverfassungsgericht, notfalls sogar den Europäischen Gerichtshof einschalten, kündigt Pauli in Gladbeck an.

Ob Steuerpolitik, Rentenpolitik, Gesundheitspolitik, Managergehälter oder Medien – „Wo wir auch hinschauen: In unserem Staat und unserem politischen System sind so viele mächtige Netzwerke entstanden, dass normale Bürgerinnen und Bürger kaum noch zu ihrem Recht kommen”, argumentiert Gabriele Pauli im Fritz-Lange-Haus.

Und auch in den Medien beklagt sie eine „fehlende Vielfalt” und eine vielfach vorhandene Strategie, „die Freie Union kaputtzumachen”.

"Bedürfnisse der Menschen gehören in den Mittelpunkt"

Das alles klingt manchmal sehr nach Verschwörungstheorie und es ist vielleicht auch aus manch' bitterer bayerischer Ur-Erfahrung gespeist – die Ex-CSU-Landrätin fordert nicht weniger als eine „Total-Revision” des Staates und eine grundsätzliche Veränderung des gesellschaftlichen Denkens. „Die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen müssen wieder im Mittelpunkt stehen.” Und mit Blick auf den nach wie vor hohen Beamten-Anteil unter bundesdeutschen Parlamentariern sagt Pauli: „Es stellt sich die Frage, ob sich die Bevölkerung in unserem Staat von den Parlamenten überhaupt noch repräsentiert fühlt”. Kein Mensch in den Parlamanten traue sich mehr an „Strukturen” heran, um die „Verfilzung im Machtapparat” endlich zu beenden.

In Gladbeck die NRW-Reserveliste gewählt

Auf ihrer Landesversammlung in Gladbeck wählte die Freie Union am Sonntag die NRW-Reserveliste. Die Partei geht optimistisch in den Landtagswahlkampf. Der Pauli-Faktor hat ihr viel Aufmerksamkeit beschert, auch wenn massive innerparteiliche Querelen immer wieder für Aufsehen sorgen. Erst Ende voriger Woche forderte Vize-Parteichef Peter Frühwald den Rücktritt von Gabriele Pauli, um „mehr Demokratie” in der Freien Union möglich zu machen.