Gladbeck. . 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr: Ausrüstung und Ausbildung haben sich stark verändert. Feuerwehr erlebt den Wandel der Gesellschaft hautnah mit.

Auf 125 Jahre Dienst zum Wohle der Bürger kann die Gladbecker Feuerwehr zurück blicken, die sich anfangs als Freiwillige Feuerwehr gründete.

„Die Bürger können nachts beruhigt schlafen“, sagt Brandamtsrat Holger Mehl. Dieser Satz gilt in Gladbeck seit 125 Jahren. Tag und Nacht sind Rettungsdienst und Brandschutz der Feuerwehr im Dienst, helfen in der Not und blicken angesichts des runden Jubiläums zurück auf eine lange Tradition.

Tag der Offenen Tür zum 125-jährigen Bestehen

88 hauptamtliche Feuerwehrleute leisten ihren Dienst in der Wache an der Wilhelmstraße. Hinzu kommen 145 ehrenamtliche Kräfte, die in vier Löschzügen (Mitte, Brauck, Zweckel und Nord) organisiert sind.

Die Freiwillige Feuerwehr würde sich über motivierten Nachwuchs freuen. „Gesucht werden junge Menschen über 18, die ein sinnvolles Hobby suchen“, so Feuerwehr-Chef Thorsten Koryttko.

Das 125-jährige Bestehen wird am Mittwoch, 1. Mai, ab 10 Uhr mit einem Tag der offenen Tür an der Hauptwache, Wilhelmstraße 60, gefeiert. Geplant sind praktische und teils spektakuläre Übungen wie Höhenrettungen und die Simulation eines Verkehrsunfalls mit anschließender Rettung.

Wenn Feuerwehr-Chef Thorsten Koryttko und Holger Mehl sich an ihre Anfänge vor mehr als 25 Jahren erinnern, müssen sie manchmal schmunzeln und sind erstaunt über die technische Entwicklung. Als Ergänzungen sollen in diesem Jahr ein Multicopter und ein mobiler Großlüfter angeschafft werden. In den 90er-Jahren hätten sie solche Geräte nie für möglich gehalten. Die Rettungsfahrzeuge besaßen kniehohe Schalthebel und das Armaturenbrett bestand aus Holz. Auch die Schutzkleidung habe nicht annähernd dem aktuellen Sicherheitsstandard entsprochen. Damals hochmodern, heute unvorstellbar.

Die Notfallmedizin hat sich weiter entwickelt

Überhaupt hat sich im Laufe der Jahrzehnte bei den Feuerwehren und insbesondere in Gladbeck eine Menge verändert. Defibrillatoren und Beatmungsgeräte gehören längst zur Ausrüstung in den Rettungsfahrzeugen. „Die Notfallmedizin hat sich ebenfalls weiterentwickelt“, sagt Koryttko. Der Ausbildungsstand sei heutzutage viel höher und habe sich etabliert, so der Feuerwehr-Chef. Die Simulation eines Realbrandes ist zu einem wichtigen Teil der Ausbildung geworden.

Damit sie im Ernstfall, wie hier bei einem Brand am Buschfortsweg im März, gut vorbereitet sind, ist die Simulation von Realbränden Teil der Ausbildung zum Feuerwehrmann oder -frau.
Damit sie im Ernstfall, wie hier bei einem Brand am Buschfortsweg im März, gut vorbereitet sind, ist die Simulation von Realbränden Teil der Ausbildung zum Feuerwehrmann oder -frau. © Heinrich Jung

Das theoretische Wissen kann in der Praxis unter realen Bedingungen angewendet werden. Koryttko und Co. wurden in der Anfangszeit bei den Einsätzen mehr oder weniger ins kalte Wasser geworfen. Die Feuertaufe erhielt der Nachwuchs direkt an Ort und Stelle. „Da gab es im wahrsten Sinne des Wortes schon mal heiße Ohren oder versengte Augenbrauen“, scherzt Mehl.

Gladbeck führte als erste Feuerwehr eine Psychosoziale Unterstützung an

Rettungskräfte und Brandbekämpfer gehen oft bis an ihre Grenzen – und manchmal sogar darüber hinaus. Gladbeck war laut Koryttko eine der ersten Feuerwehren in NRW, die zu Beginn der Jahrtausendwende großen Wert auf die Etablierung Psychosozialer Unterstützung (kurz: PSU) gelegt hat. Bei Stress, ausgelöst durch Extremsituationen, steht speziell geschultes Personal ihren Kollegen in vertraulichen Gesprächen mit Rat und Tat zur Seite. „Wir verfügen seit Jahren zusätzlich über ein sehr gutes Netzwerk aus Psychologen und Seelsorgern“, sagt Koryttko. Die Zeiten haben sich geändert und die Gladbecker Feuerwehr musste sich dementsprechend mitbewegen. Oder wie es Brandmeisterin Jenny Zweiger treffend ausdrückt: „Jeder Einsatz ist anders.“

Sensationlust des Publikums steigt – der Ton wird rauer

Davon können Maik Koschewitz (Brandamtmann) und Klaus Wieduwildt (Hauptbrandmeister) ein Lied singen. Vieles ist anders als zu ihren Anfängen. Koschewitz ist 21 Jahre dabei, Wieduwildt sogar 30. Die gesellschaftlichen Veränderungen bekommen sie und ihre Kollegen täglich am eigenen Leib zu spüren. „Die Hemmschwelle und der Respekt gegenüber den Rettungskräften sind gesunken“, meint Koschewitz. Und Wieduwildt ergänzt: „Der Ton wird rauer.“

Immer wieder beobachten sie bei Einsätzen, sei es bei einem Feuer oder Verkehrsunfall, eine steigende Sensationslust bei Passanten. Schaulustige, die alles mit Smartphones dokumentieren, Absperrungen ignorieren oder die Rettungskräfte beschimpfen, sind zum Alltag geworden Bei Provokation oder Beschimpfungen stellen die Feuerwehrleute ihre Ohren auf Durchzug.

Holger Mehl: „Wir werden auch weiterhin in diesen Momenten die Ruhe bewahren.“