Gladbeck. . Kaum 100 Teilnehmer zählte die rechte Kundgebung in Gladbeck. Für die hatte das Bündnis für Courage eine klare Ansage: Unsere Stadt ist bunt!
Gut 900 Teilnehmer hat die rechte Gruppierung der „Patrioten NRW“ für ihre Kundgebung am Samstag in Gladbeck bei der Polizei angemeldet. Es kamen: Gerade einmal an die 100. Die sahen dann auch ziemlich verloren aus auf dem großen Platz vorm Neuen Rathaus, umgeben von den Einsatzkräften der Polizei und etlichen Polizeifahrzeugen.
Die Polizei hielt die beiden Protestzüge voneinander getrennt
Auf gut 500 Gegen-Demonstranten hat es hingegen das Bündnis für Courage auf dem Europaplatz in der Innenstadt gebracht. Und die Botschaft, die die Teilnehmer an die wenigen „NRW-Patrioten“ richteten, die war deutlich: „Gladbeck ist bunt, nicht braun!“ Das wurde besonders deutlich, als gegen 15.30 Uhr die beiden Gruppen nach getrennten Protestzügen am Rathaus dann auf Sichtweite aufeinander trafen. Absperrungen und die Einsatzkräfte der Polizei sorgten dafür, dass immer ein Sicherheitsabstand zwischen beiden Gruppen lag.
Laut genug waren die Bündnis-Teilnehmer da aber auch auf jeden Fall, zumal sie auch noch Unterstützung vom Kreisverband Recklinghausen der Gruppe „Die Partei“ bekamen, die ebenfalls eine Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platt angemeldet hatte. Gemeinsam skandierten sie „Nazis raus“ und ließen die Parolen der Rechten in einem Trillerpfeifen-Konzert untergehen.
Drei angemeldete Kundgebungen an einem Tag
Über mehrere Stunden war die Innenstadt von Gladbeck fest in der Hand der Demonstranten. Drei angemeldete Kundgebungen an einem Tag – entsprechend groß war auch das Polizeiaufkommen in Gladbeck. Schon am Morgen, als noch nicht ein Kundgebungsteilnehmer zu sehen war, standen die Einsatzfahrzeuge reihenweise auf dem Willy-Brandt-Platz und auf der Friedrich-Ebert-Straße. Gegen Mittag, als die letzte Trauung im Standesamt im Alten Rathaus beendet war und das Hochzeitspaar den Platz verlassen hatte, stellten die Beamten erste Absperrungen auf.
Alle Eingänge zur Innenstadt und natürlich auch der Europaplatz, auf dem die Gegendemo vom Bündnis stattfand, waren ebenfalls von Polizeikräften gesichert. Auch die beiden Protestzüge vom Bündnis und den „Patrioten NRW“ wurden von der Polizei eskortiert. Gegen 16.30 Uhr waren dann alle drei Kundgebungen vorbei. „Es ist alles absolut störungsfrei verlaufen“, erklärte Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber. Auch der Straßenverkehr sei nur temporär und geringfügig beeinträchtigt worden.
Hier die von der Polizei ermittelten, offiziellen Teilnehmerzahlen:
>> Hier die Teilnehmerzahlen, ermittelt von der Polizei
- 70 Personen bei der Versammlung der beiden Bündnisse „Patrioten NRW“ und „NRW schaut nicht weg“ auf dem Willy-Brandt-Platz. Motto: „Gegen Gewalt auf den Straßen“.
- 330 Teilnehmer beim Bündnis für Courage auf dem Europaplatz. Motto: „Bunte Vielfalt gegen braune Einfalt“
- Und die Spaßtruppe „Die Partei“ auf dem Willy-Brandt-Platz hatte sieben Aktive. Motto: „Kriminalität muss Deutsch bleiben“
Das hat das Bündnis für Courage alles auf die Beine gestellt
Nur wenige Meter vom Willy-Brandt-Platz entfernt zeigte Gladbeck sein wahres Gesicht. Das Bündnis für Courage hatte zur Gegendemonstration aufgerufen und mehr als 500 Teilnehmer waren zum Europaplatz (Hochstraße/ Horster Straße) gekommen. „Nie wieder Nazis“, „Menschenrechte statt rechte Menschen, „Gladbeck ist bunt, „Hass ist keine Meinung“ und „Für ein buntes Deutschland“ stand auf den zahlreichen Schildern, die die Demonstranten in die Höhe reckten.
Mehr als 20 Redner, zum Beispiel mit Vertretern beider Kirchen, der Stadt, dem DGB, aus dem Integrationsbeirat und noch viel mehr, kamen auf der Bühne zur Wort. „Wenn nicht das Ruhrgebiet zusammenhält, wer denn dann?“, fragte Roger Kreft, Sprecher des Bündnisses für Courage, über das Mikrofon ins Publikum. „Wir wollen ein vereintes und demokratisches Europa und kein Nazi-Europa.“ Damit sprach er den jungen Gladbeckern und denjenigen im gesetzten Alter, die vor der Bühne einen Sitzplatz ergattern konnten, aus der Seele. Mit stürmischem Beifall und lautstarken Trillerpfeifen stimmten sie ihm zu. Vereinzelt wurden generationsübergreifend und mit Begeisterung kleine Europafahnen geschwenkt.
„Die selbsternannten Patrioten NRW schaden unserer Stadt“
An die Adresse der „Patrioten NRW“ richtete Rainer Weichelt in seiner Rede eine klare Botschaft: „Ich sage laut und deutlich, die selbsternannten Patrioten NRW schaden unserer Stadt. Sie haben hier nichts zu suchen“, so der Erste Beigeordnete. „Gladbeck war, ist und bleibt eine Stadt, in der Freiheit, Gleichheit und Toleranz gelebte Werte eines friedlichen Miteinanders sind.“
Genau um 14 Uhr, also zu dem Zeitpunkt, als auf dem Willy-Brandt-Platz die „Patrioten NRW“ mit ihrer Kundgebung begannen, betrat Propst André Müller die Bühne und machte sofort eine Ansage. „Ich versuche besonders laut zu reden, damit die da drüber nicht so durchdringen. Ich kann auch noch die Glocken anstellen, wenn das hilft.“
Und er legte nach: „Rechtspopulistische, rassistische Parteien gewinnen an Zulauf. Ablehnung von anderen Meinungen oder von Angehörigen jüdischer oder islamischer Gemeinden äußert sich viel zu oft in gewalttätigen, menschenfeindlichen und kaum zu ertragenden Verbalkloaken.“ Deutschland sei lange nicht so sicher gewesen wie heute, so der Propst weiter. „Auch wenn gerade auf dem Rathausplatz etwas anderes behauptet wird.“ Die Demonstranten setzten ein starkes Zeichen: Gladbeck ist bunt und tolerant.
Ein geschlossener Aufmarsch gegen Rechts
Um kurz nach 15 Uhr setzte sich der Tross mit mehreren Hundert Bürgern schließlich in Bewegung. Mit bunten Luftballons, Schildern und Megafon ging es vorbei an der St. Lamberti-Kirche. Begleitet vom Glockengeläut des Gotteshauses bog die Gruppe nach rechts über die Lambertistraße ab und dann erneut rechts hinauf zur Hochstraße. Währenddessen zückten viele Passanten ihre Smartphones, machten Fotos oder drehten Videos. So einen geschlossenen Aufmarsch gegen Rechts hatten sie in ihrer Heimat schon lange nicht mehr gesehen.